Der Turm
leise, wie du’s gemacht hast, sondern nachdem wir dir das Wegtreten erlaubt haben!«
»Junge, Junge«, flüsterte Rogalla entzückt, »hat Muska eben was von Tagesack geblubbert? He, Äpfel! Und Kuchen!«
»Du bist nun vierzehn Tage hier, Ohrli, davon mußtest du zwölfohne uns auskommen, was du bestimmt sehr schade gefunden hast.«RudenentblößtebeimLacheneinenabgebrochenenSchneidezahn. »Weil wir die Scheiß-Gefechtsübung gefahren sind. Wir hattenSackgangundduMast. Warstnatürlichschlaugenug, dichzu verdrücken. Weißtgenau, daßwirdichnichthättenfahrenlassen.« »Mann, ich hab’ was gegen Klugscheißer«, sagte Unteroffizier Jens Karge, genannt Wanda, viertes Diensthalbjahr. »Kannst die Filzlaus gleich wieder abpellen, Lehmann.«
»Hoffmann«, wagte Christian.
»Lehmann, sag’ ich doch. Schwarzkombi an, du gehst mit diesem Analphabeten, wie heißt die arme Suppe?«
»Irrgang«, half Rogalla aus, der inzwischen den Tascheninhalt auf den Tisch gekippt hatte. »Aber noch schärfer ist dieser Burre. Der hat echt ’n Rad ab.« Er zog ein Stück Papier aus der Hosentasche. »Hört mal.« Er setzte sich in Positur, räusperte sich, begann in pathetischem Ton zu deklamieren. »WENN DIE LIEB NICHT WAER –«
»Hä? Wa-ehr?« Ebert legte die Hand ans Ohr.
»Er schreibt ae statt ä. Und alles groß. Ist ’n Gedicht, du Banause. WENN DIE LIEB NICHT WAER, GAEBS / KEINE GECHLECHTSKRANKHEITEN / WENN DIE LIEB NICHT WAER, HAETTEN WIR / KAUM WAS ZU SAGEN / WENN DIE LIEB NICHT WAER, GAEBS / MICH NICHT / UND DAS WAER SCHEISSE«.
Ruden ging zur Tür. »Popov!«.
»Wassenlos«, kam eine träge Stimme aus der Stube der Lehrgefechtsfahrer.
»Burre zieht Luft, Sonderbehandlung!«.
»Schon wieder«, rief Unteroffizier Helge Poppenhaus, fünftes Diensthalbjahr und somit »Vize«, zurück.
»Nun zu dir.« Ruden nahm einen Schluck aus der Branntweinflasche, genannt »Rohr«, die auf Rogallas Platz am Tisch stand. »Wir müssen untersuchen, ob du Alk schmuggelst.« Er nahm ein Messer und begann die Äpfel aufzuschneiden. »Es gibt die unmöglichsten Verstecke. Ich kannte mal einen, der hatte entdeckt, daß in die Panzerkanone genau sechzehn Rohre passen. Und zwar so, daß sie nicht kaputtgehn beim Fahren. War ’n cleverer Junge und hatte danach ausgesorgt.«
»Ich kannte mal einen, der hieß Johannes Ruden und hat Heliumballons mit Pfandanhang zur Kommandantenstube steigen lassen«, sagte Rogalla. Ruden tippte Christian auf die Stirn. »Du sagst ja, daß du Medizin studieren willst. Die Sanis im Med.-Punkt sind dauernd besoffen. Die schmuggeln den Alk in Pferdespritzen, bevor sie sie uns gegen Tetanus in den Arsch rammen.« Er verteilte die Äpfel, sie wurden genüßlich aufgefressen. »Also, in meine hat er nischt geimpft«, murrte Unteroffizier Ebert. »Trocken wie ’ne Omatitte. So ’n Blödmann aber auch.« Er ließ den Griebs zu Boden fallen, sah Christian enttäuscht an. »Wir sind deine Kameraden, hier wird alles geteilt. Hättest ruhig an uns denken können. Ich an deiner Stelle hätte ’nen Kuchen mit mindestens fuffzich Umdrehungen gebacken.«
»So was wie du säuft auch Panzersprit.« Im nächsten Moment schlug Ruden zu, Christian sackte nach vorn, bekam sekundenlang keine Luft, dann fing die Leber an zu wüten, die Stube begann sich zu übergolden. Er kam zu sich vom Tritt eines Stiefels. »Den Griebs aufheben!« Ruden zerrte Christian hoch und hieb ihm mit der flachen Faust aufs Ohr. Das war wie eine Explosion, platzendes Rot. »Was sagst du? Kann nichts verstehen!«
»Jawohl … Genosse Feldwebel.«
»Ich höre nichts!« Wieder traf ihn Rudens Faust auf dem Ohr, Christian wehrte taumelnd ab, aber Ruden war ein Bulle, auf seinen Unterarmen drehten sich Muskelstränge wie Stricke.
»Jawohl …« Christian riß die Arme hoch, um den Schlag abzuwehren. Rogalla und Karge zogen Heulgrimassen. »Eh, Papa, hau mich nicht!«
»Wir hören nichts! Am Loch üben!« schrie Ebert. Rogalla und Karge packten Christian, schleppten ihn auf die Toilette. Ein paar Soldaten, die am Kompanieaschenbecher rauchten, sahen zu. Der UvD schrieb, der GUvD leitete ein paar »Frische«, eben eingezogene Soldaten, die ihre Grundausbildung bei der Truppe absolvierten, beim Flurblockern an. Ruden öffnete eine Kloschüssel und stauchte Christians Kopf hinein.
»Jawohl, Genosse Feldwebel!« schrie Christian, so laut er konnte. Karge und Ebert lehnten lachend an der Wand. Rogalla zog die Spülung.
45.
Die Papierrepublik
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