Der Turm
kommen wir noch, Kollegin Schevola, keine Sorge. Da Sie mich erneut zu unterbrechen versuchen, möchte ich darauf hinweisen, daß es der Anstand nicht nur unter Kollegen gebietet, einander zuzuhören und ausreden zu lassen. Ich fahre fort im Referat. – Die Schraube nannte ich es. Nun, viele unter unseren Kollegen sind nicht mit Stift oder goldenem Löffel großgeworden, sondern haben einen Phasenprüfer, eine Maurerkelle, einen Maulschlüssel in der Hand gehabt. Nun werdet ihr, liebe Kollegen, mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage, daß werktätig sein nicht nur bedeutet, in einem Werk zu arbeiten, sondern auch an einem Werk. Die Schriftsteller unseres Landes sind werktätig; sie mauern und bauen mit dem Geist, und nur manche, die nicht wissen, wie Wagenschmiere riecht – oder die es vergessen haben –, die nicht wissen, wie ein ehrlicher Händedruck des Brigadiers sich anfühlt oder die Hitze beim Stahlabstich vorm Hochofen; manche Kollegen also, es sind nur ganz wenige, scheinen sich nicht mehr bewußt zu sein, was dieses unser Land ist, wofür es steht, und wer diejenigen sind, die es aufbauen. Wir Schriftsteller werden geachtet in diesem unserem Land. Wir sind nicht den Verlogenheiten der kapitalistischen Presse ausgeliefert, die noch über meinen letzten Roman, ›Die stille Front‹, ihre Häme ausgoß – daß ich ein fragwürdiger Geselle sei, der es mit der Wirklichkeit unserer Zeit nicht so genaunehme und bloß Propaganda verbreite; der angeblichen Pappkameraden Klischees in den Mund lege, wenngleich nicht vom Geschlecht der Langweiler, wie Herr Wiktor Hart zu formulieren wußte … Unsere Rezensenten sind keine bezahlten Knechte von Springer und Co., unsere Rezensenten sind Angehörige der Arbeiterklasse. Für sie schreiben wir, ihnen verdanken wir das Privileg, unsere Zeit in ihren Kämpfen und Nöten schreibend begleiten zu dürfen … Die Schraube also, dieses unscheinbare, aber interessante Bauelement, ohne das wir uns nicht in dem schönen Rahmen hier aufhalten könnten, ohne das dieses Pult mit meinem Redemanuskript in der Mitte kein Pult, sondern nur ein Haufen Bretter wäre, die Schraube, die den Stuhlzusammenhält, auf dem einige Kollegen kippeln, die Schraube ist es, klein, aber fein, die ich näher betrachten will … Sie steckt natürlich auch in der Post, will sagen: im Postamt, wo die Briefe aufgegeben werden, über die wir heute auch sprechen müssen. Hiobspost, Taubenpost, Post für taube Ohren, Postillon d’amour, Post an diverse westliche Medien, die uns zwar angeht, aber zuvor nicht erreichte. Post von vier Kollegen, deren literarische Leistungen unterschiedlich, doch immer von uns anerkannt worden sind, die sich nicht zu beklagen brauchten, was die Veröffentlichung ihrer Bücher anbelangt, für deren Nachauflagen wir immer einen Weg gefunden haben, so daß der Begriff Zensur, der in der Kollegenpost auftaucht, zum immer wieder abgeklapperten Gemeinplatz wird, den auch des geschätzten Kollegen David Groth Formulierungskünste nicht wohnlicher machen … Er versteckt sich hinter allgemein gehaltenen Bezichtigungen, verdreht mir die Worte im Mund, Sie kommen schon noch dran, Kollege Groth, und stellt sich mit der Veröffentlichung seiner Post außerhalb der Gesetze unseres Staates. Er verletzt die Statuten des Verbands, dem er angehört, wobei die Vorteile seiner Mitgliedschaft in seinem von den bekannten Hetzern der Springer-Presse gedruckten Brief nicht zu lesen stehen … Kein Wort über die Reisen, die genehmigt wurden, dagegen lauthalsiger Protest, weil eine Reise eines Kollegen gestrichen wurde, die zu einer Lesung im Bayerischen Parlament geführt hätte, wo am schlimmsten gegen uns Front gemacht wird … Sie wollen mich moralisch belehren, Kollege Groth, lassen aber Ihren literarisch mindestens zweifelhaft zu nennenden Roman ›Trotzki‹, der Tatsachen der Geschichte unserer sowjetischen Freunde auf das übelste verdreht und den literarisch ernstzunehmende Autoren wie mein Freund Eschschloraque und Kollege Altberg mir gegenüber brieflich als Kolportageschund bezeichnet haben, unter Umgehung geltenden Rechts im Westen erscheinen! Jawohl, unter Umgehung geltenden Rechts – Sie kennen die Adresse unseres Büros für Urheberrechte genausogut wie wir, die Mitglieder des Präsidiums des Verbands, und sonst alle anwesenden Kollegen! Und es ist keineswegs eine Infamie – Sie sollten Ihre Worte sorgsamer wägen –, wenn ich mich gegen Ihre Unterstellung wende, daß Kollege
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