Der Überläufer: Tweed 3
dorthin mit, damit ich das finnische Mädchen sehe. Vielleicht mag ich sie. Vielleicht …«
»Vielleicht«, sagte Tweed und beließ es dabei.
Poluschkin stand vor dem Kühler eines gemieteten Audi, den er hundert Meter von der Amerikanischen Botschaft entfernt geparkt hatte. Er hatte die Motorhaube geöffnet und tat so, als hantiere er am Motor herum, als der uniformierte Amerikaner quer über den freien Platz vor der Botschaft zu ihm herankam.
»Hier können Sie nicht parken, Buddy«, informierte der Soldat ihn.
Poluschkin mimte Ratlosigkeit. Er fuchtelte mit den Armen herum und deutete auf den Motor. Er begann schnell auf schwedisch zu reden.
»Er geht nicht. Weiß der Himmel, was los ist mit ihm. Das ist heute vormittag schon das zweite Mal. Ich muß wahrscheinlich einen Abschleppwagen holen und ihn in die Garage ziehen lassen.«
Der Soldat sah ihn verständnislos an. Wie Poluschkin erwartet hatte, hatte er kein Wort verstanden. Er deutete ihm mit einer Geste an, er solle weiterfahren.
»Sprechen Sie nicht Englisch?« fragte er.
»Kein Englisch.« Poluschkin ließ eine neue Flut schwedischer Sätze vom Stapel, wieder begleitet vom Gefuchtel seiner Arme.
Der Soldat hielt ihm seine Uhr hin und zeigte ihm eine Zeitspanne von fünfzehn Minuten. Dann machte er wieder die Geste des Wegfahrens und marschierte zu seinem Platz vor dem weißen Gebäude zurück.
Poluschkin jubelte innerlich. Fünf Minuten nach seinem Eintreffen hatte er einen Mann erkannt, der in einem Taxi ankam, den Fahrer entlohnte und mit schnellen Schritten ins Gebäude eilte. Er hoffte, das verbotene Parken so lange ausdehnen zu können, bis der Mann wieder aus der Botschaft herauskam.
Zehn Minuten später sah er ein anderes Taxi vor dem Haus halten.
Niemand stieg aus. Das »FREI«-Licht brannte nicht. Also war der Wagen herbeigerufen worden, um einen Fahrgast aufzunehmen.
Poluschkin klappte die Motorhaube zu, setzte sich hinters Lenkrad und begann an der Zündung zu hantieren, ohne den Motor anzulassen. Aus dem Augenwinkel sah er, daß der Soldat, der versucht hatte, ihn zum Wegfahren zu bewegen, den Kopf abwandte. Der Mann, der vorher hineingegangen war, erschien und stieg in das wartende Taxi. Poluschkin ließ den Motor an.
Er folgte dem Taxi zurück ins Stockholmer Stadtzentrum, wo der Fahrer seinen Fahrgast vor einem Reisebüro in der Nähe des Sergels Torg aussteigen ließ. Poluschkin gelang es mit knapper Mühe, vor einem anderen einen Parkplatz zu ergattern. Er schloß seinen Wagen ab und warf einige Münzen in die Parkuhr.
Der Amerikaner lehnte am Ladenpult und sprach mit einem Mädchen. Poluschkin wählte die junge Dame daneben und erkundigte sich nach Reisearrangements für Cypern. Während sie erklärte, was im Angebot sei, hörte er dem Gespräch des Amerikaners zu.
Zu Poluschkins Ausbildung in einem Ausbildungslager westlich von Moskau hatten auch Konzentrationsübungen gehört. Dabei erlangte man die Fähigkeit, mit einer Person ein Gespräch zu führen und gleichzeitig alle Details einer Unterhaltung, die zur selben Zeit ablief, geistig aufzunehmen. Es war eine der weniger unangenehmen Techniken, die Poluschkin lernen mußte, aber, wie er fand, eine der schwierigsten.
Fünf Minuten darauf verließ der Amerikaner das Büro, Poluschkin dankte der jungen Dame und eilte mit einem Packen Prospekte hinaus, die er auf den Rücksitz warf. Sein Zielobjekt rief ein neues Taxi herbei. Poluschkin setzte sich hinters Lenkrad und folgte dem Amerikaner.
Die Fahrt dauerte etwa zehn Minuten. Poluschkin hatte trotz des dichten Verkehrs keine Mühe, dem Taxi auf den Fersen zu bleiben, dabei immer einen anderen Wagen zwischen sich und dem Amerikaner fahren lassend, auch ein Trick, den er im Lager gelernt hatte.
Das Taxi schwenkte in eine breite Straße ein, wo weniger Verkehr war, und hielt vor einem alten Mietshaus. Während der Amerikaner sich vom Wagen wegwandte und eine kurze Treppe hinaufeilte, fuhr Poluschkin langsam an dem haltenden Taxi vorbei. Er parkte am Gehsteigrand und schlenderte zurück. Karlavägen 72 C.
Poluschkin war der Meinung, er habe sein Glück genügend strapaziert. Er ging zu seinem Wagen zurück und fuhr in Richtung Solna davon.
In der Wohnung in der dritten Etage des Hauses Karlavägen 72 C.
saß Helene Stilmar auf einer Couch im Wohnzimmer, strich mit ihrer schmalen Hand über eines ihrer gekreuzten Beine und hörte ihm zu.
»Ich habe eine entzückende Idee, Liebling«, sagte Cord Dillon. Er saß neben
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