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Der Überläufer: Tweed 3

Der Überläufer: Tweed 3

Titel: Der Überläufer: Tweed 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Theke.
    Hierauf plauderte er ein paar Minuten lang, hörte sich dann irgendeine Geschichte von Hoffnungslosigkeit und baldigem Untergang an – »La belle France ist nicht mehr belle«, wie es ein Barkeeper ausdrückte.
    Dann begann Tweed wieder draufloszuschwatzen, und es dauerte nicht lange, bis der Barkeeper beim Polieren der Theke oder der Gläser innehielt und mit großem Interesse zuhörte. Trotz seines flüssigen Französisch war zweifelhaft, ob es Tweed gelang, für einen Einheimischen gehalten zu werden. Gelegentlich tat er daher so, als spiele seine Zunge ihm einen Streich, und ließ in seine Rede ein spanisches Wort einfließen.
    Es war nah an Mitternacht, als er ins
Bristol
zurückkehrte, wo er sofort in sein Zimmer hinaufging. Er entkleidete sich rasch, legte sich für den Morgen frische Wäsche zurecht, stellte seinen Wecker auf sechs Uhr und schlüpfte unter die Decke.
    Am folgenden Tag stand Frankfurt auf seinem Programm.
    Frankfurt ist der ideale Ort, die deutsche Industriemaschinerie auf höchsten Touren zu sehen. Der Kontrast gegenüber dem der Verwahrlosung anheimgegebenen Frankreich war bestürzend.
    Statt müder Gesichter, herabhängender Schultern und der Neigung, der Vergangenheit nachzutrauern, sah man hier forsch dahinschreitende Deutsche, die in Gegenwart und Zukunft ihr festes Vertrauen setzten. Außerdem kann man in jeder Straße dieses Machtzentrums dahinwandern, ohne wie Tweed in der Rue du Faubourg St.-Honoré in Gefahr zu kommen, sich auf dem schiefen Gehsteinpflaster den Knöchel zu brechen.
    Das Taxi setzte ihn, vom Flughafen kommend, gerade rechtzeitig zum Lunch vor dem
Intercontinental
ab. Ähnlich dem
Kalastajatorppa
im fernen Helsinki hat das Frankfurter
Intercontinental
getrennte Gebäudekomplexe zu beiden Seiten der Straße. Doch mit den unterirdischen Tunnels, die die Häuser hier wie dort miteinander verbinden, enden die Gemeinsamkeiten.
    Das
Intercontinental
besteht aus zwei Wolkenkratzern. Tweed wurde mit dem Schnellift zu Zimmer 1467 hinaufgeleitet. Nachdem er dem Träger, der darauf bestanden hatte, die kleine Reisetasche zu tragen, ein Trinkgeld gegeben hatte, verbrachte Tweed einige Minuten damit, die Sicht aus dem riesigen Fenster zu genießen, das die gesamte Zimmerwand einnahm.
    Der Blick erinnerte an Los Angeles. Es war Mittag, und die Stadt lag in grauen Dunst gehüllt. Aus dem Dunst traten die Konturen weiterer Wolkenkratzer hervor, und er konnte gerade noch den pfostenartigen Turm ausnehmen, der, das wußte er von einem seiner früheren Aufenthalte, unterhalb seiner Spitze ein drehbares Restaurant trug – eines der ersten dieser Art in Europa.
    Er ließ sich Zeit mit dem Auspacken und den Verrichtungen im Bad, verwandte einige Mühe auf sein Äußeres, bürstete sorgfältig sein dunkles Haar, um vor seinem Mittagsgast in präsentabler Form erscheinen zu können. Er hatte die Dame vor der Abreise aus Paris vom
Bristol
aus angerufen, und sie hatte sofort mit Begeisterung einem Treffen zugestimmt.
    »Es ist für mich die ruhigste Zeit des Tages, wie Sie wissen«, hatte sie erklärt. »Dinner ist immer schwierig – am Abend hat das Geschäft Vorrang.«
    »Natürlich«, stimmte Tweed taktvoll bei.
    Um 12.45 Uhr, fünfzehn Minuten vor der vereinbarten Zeit, machte Tweed sich auf den Weg zu jenem Untergeschoß, von dem aus ein Tunnel zum Hauptgebäude führt. Während er auf den Aufzug wartete, schaute er aus dem Fenster. Zwischen zwei Gebäuden konnte man ein Stück vom träge dahinfließenden Main sehen und Leute, die an den Ufern entlangspazierten.
    Unten angekommen, trottete er durch den Tunnel und fuhr mit der Rolltreppe zur riesigen Empfangshalle hinauf. Sie war voll Leben. Ankommende Gäste, andere, ihr teures Gepäck auf Wägelchen gestapelt, die abreisten.
    Er ging durch zur »Rotisserie« und prüfte beim Oberkellner nach, ob man ihm den Ecktisch gegeben hatte, den er bei seiner Ankunft hatte reservieren lassen. Der Tisch war ganz nach Wunsch. Natürlich! Er ging zurück in die Halle, um zu warten.
    Pünktlich um eins erschien Lisa Brandt, sah Tweed, flog förmlich durch die Halle und schlang die Arme um ihn. Niemand hätte Tweed als hochgewachsen bezeichnet, doch selbst er überragte Lisa, die nur einen Meter dreiundsechzig maß. Sie war Anfang der Vierzig, schlank, lebhaft, braunäugig, mit ätzendem Humor. Ihr kastanienbraunes Haar war tadellos frisiert – Tweed mutmaßte, sie käme direkt vom Friseur. Sie begrüßten einander auf deutsch.
    »Liebster!

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