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Der Überläufer: Tweed 3

Der Überläufer: Tweed 3

Titel: Der Überläufer: Tweed 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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hatte er sich beim Hotelportier besorgt. Jeder, der die Transaktion sah, würde annehmen, er habe ihr den Brief mit der Bitte überreicht, ihn aufzugeben.
    In Genf, um vier Uhr nachmittags an einem Ecktisch in der Brasserie Hollandaise auf der Place Bel-Air sitzend, war er viel direkter. Sein Gefährte war diesmal ein schmalgesichtiger Mann in den Vierzigern. Alain Charvet war ehemaliger Polizist, der aus dem Polizeidienst ausgetreten war, weil ein eifersüchtiger Vorgesetzter ihn bei einer Beförderung übergangen hatte. Charvet hatte sich sofort eine Privatauskunftei eingerichtet.
    »Da ist das Geld«, sagte Tweed auf französisch und schob einen Umschlag über den Tisch. »Tausend Schweizer Franken.«
    Charvet ließ den Umschlag mit einer raschen Bewegung in seine Jackentasche gleiten und verschränkte seine langen, knochigen Finger über der Tischplatte. Tweed erklärte, was er wünschte, Charvet nickte und nippte an seinem Kaffee. Ihr Gespräch dauerte nicht länger als zehn Minuten, dann erhob sich Tweed und blickte sich im Raum um, diesem merkwürdigen Relikt aus früheren Zeiten.
    Sehr holländisch war dieses Café, so gar nicht nach Genf passend.
    Längs der Wände Bänke aus dunkelbraunem Leder, mit Arm- und Rückenstützen aus Messing, als Beleuchtungskörper Milchglaskugeln auf Messingständern.
    Tweed trat hinaus auf den Platz, der Himmel war trübe, und überquerte eine der Rhône-Brücken.
    Charvets Haupteinnahmequelle war ungewöhnlich. Er »vertrat«
    ausländische Agenten, von denen man erwartete, daß sie alle Schritte und gesellschaftlichen Kontaktnahmen bestimmter Personen überwachten. Da das eine ungemein langweilige Aufgabe war, durfte es nicht überraschen, wenn einige dieser Agenten es vorzogen, die Zeit mit ihrer Geliebten zu verbringen.
    Also »übertrugen« sie ihre Pflichten an Alain Charvet, der die Stadt ohnedies besser kannte, als sie sie je kennen würden. Charvet spannte dann gewöhnlich mit behandschuhten Händen ein Blatt Papier in eine alte Olivetti Lettera 22, die er allein zu diesem Zweck benützte. Hierauf tippte er einen detaillierten Bericht über die Schritte und Kontakte der Person, die er zu überwachen gehabt hatte. Für solche Dienste zahlte man ihm erstaunlicherweise hohe Geldsummen. Handschuhe benützte er, um sicherzugehen, daß auf den Blättern, die er übergab, niemals seine Fingerabdrücke zurückblieben.
    Charvet war ein überaus vorsichtiger Mann. Da er wußte, daß einige dieser Aufträge sich als gefährlich erweisen konnten, traf er sogar die Vorkehrung, seine Reiseschreibmaschine in einem Bankschließfach aufzubewahren.
    Er arbeitete nicht nur für sowjetische und amerikanische Agenten.
    Das war eine weitere Vorsichtsmaßnahme. Gelegentlich, wenn seine Erfahrung als Polizist ihm sagte, eine Information sei für die Sicherheit der Schweiz von Bedeutung, spannte er noch ein Blatt in die Maschine. Dieses gab er an den Schweizer Abwehrdienst weiter – honorarfrei.
    Theoretisch war er also nach allen Seiten abgesichert. Für Tweed hingegen war er wegen seiner Kontakte zu ausländischen Agenten eine wahre Fundgrube. Der Tag darauf war ein Sonntag, der 2. September. Noch vor dem Mittag war Tweed in sein Zimmer im Brüsseler
Hilton
auf dem Boulevard Waterloo eingezogen.
    »Sie verstehen, wie Sie vorgehen sollen, Julius?« fragte Tweed, um sicherzugehen, und sah sich dabei im Büffet des Brüsseler Nordbahnhofs um.
    »Alles völlig klar«, antwortete Julius Ravenstein auf englisch.
    »Und ich halte mich für einen eintägigen Besuch Londons zur Verfügung, wenn Sie mich anrufen.«
    »Gut. Dann denke ich, daß ich Sie nicht mehr länger aufhalten werde.«
    Während er seinen Stuhl zurückschob, betrachtete er den wohlbeleibten, zweiundfünfzig Jahre alten Belgier. Ravenstein hatte ganz das gepflegte, gutgenährte Äußere des Mannes, der zu Wohlstand gekommen ist. Er hatte sich zu den besten Diamantenschleifern der Welt zählen dürfen, bis er das Pech hatte, sich eine besonders arge Arthritis zuzuziehen. Damit war die einträgliche Zeit als Diamantenschleifer zu Ende.
    Wenn ein Mann in einer verzweifelten Lage ist, macht sein Gehirn Überstunden. Julius brütete eine Idee aus, die seinen Brotgebern in Antwerpen gefiel. Er schlug vor, sich in der Unterwelt als Berater für Hehlergeschäfte niederzulassen, wodurch sich die Möglichkeit ergab, an Kriminelle heranzukommen, die einen Diamantenraub planten – das also, wovor man sich in Antwerpener Diamantenkreisen

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