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Der Überläufer: Tweed 3

Der Überläufer: Tweed 3

Titel: Der Überläufer: Tweed 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Botschaft auf. Er war vernünftig genug, nicht die Schutzpolizei um Hilfe zu bitten. Dort wäre man gezwungen gewesen, den Vorfall nach Moskau zu melden.
    Die Leute in der Botschaft wußten nicht, was sie mit ihm anfangen sollten. Man hatte Tweed, der sich zufällig in der Botschaft aufhielt, um Rat und Hilfe gebeten. Tweed, der weder Finnisch noch Estnisch – zwei Sprachen, die einander ähnlich sind – beherrschte, entdeckte, daß er sich mit Prii leicht auf deutsch unterhalten konnte.
    Die Esten sind, historisch gesehen, eher Balten als Slawen, und manche von ihnen sprechen Deutsch. Prii wußte ihren Standpunkt in sehr bestechender Weise klarzumachen.
    »Während des Kriegs kam die deutsche Wehrmacht nach Estland und vertrieb die Sowjets, die uns 1940 besetzt hatten. Die Deutschen behandelten uns gut. Wenn sie hätten bleiben können, hätte uns das für sie gefreut. Dann kam die verdammte Rote Armee wieder. Seither sind wir Gefangene. Ich werde den Engländern mit Informationen aushelfen, wann immer ich kann.«
    »Wie können Sie mit uns in Verbindung treten?« fragte Tweed.
    »Mit meinem Funkgerät natürlich! Wir fischen in der Nordsee.
    Wenn ich ein vereinbartes Signal gebe, wissen Sie, daß ich in der Nähe bin.«
    »Und warum gehen Sie nicht bei uns an Land und bleiben da?«
    Es war eine Testfrage. Tweed hatte immer noch den Verdacht, Prii könnte ein »stummer Agent« der Sowjets sein. Während Prii antwortete, beobachtete er ihn genau.
    »Weil meine Frau und meine zwei Töchter nie mit mir ausfahren dürften. Man überwacht uns sehr genau, bevor wir in See stechen.«
    Sie vereinbarten das Signal »Großer Elch«, welches Prii fünfmal in Drei-Minuten-Intervallen senden sollte. Als Tweed nach London zurückkehrte, hatte er mit dem Abhörzentrum in Cheltenham ausgemacht, man sollte ihn sofort verständigen, wenn man dieses Signal auffinge. Harwich sollte dann der Treffpunkt sein. Und dies war der erste Fall seit jenem Treffen, daß das Signal durchgegeben worden war.
    Es schien ein eigenartiges Zusammentreffen von Umständen zu sein, überlegte Tweed, als der Zug sein Tempo verlangsamte und die ersten Lichter von Harwich draußen auftauchten. Stellte man jedoch einen Zusammenhang mit den Notizen her, die er soeben durchgesehen hatte, dann mochte es sich um keinen Zufall mehr handeln. Er würde mehr wissen, sobald er Prii befragt hatte.
    Er holte seine kleine Tasche vom Gepäcknetz. Als der Zug in Harwich einfuhr, stand er bereits im Gang neben dem Ausstieg.
    Fairweather, der leitende Offizier vom Zoll, ein gutmütiger, rotgesichtiger Mann von fünfundvierzig Jahren mit strahlendblauen Augen, hätte in Tweeds Team gute Figur gemacht. Er hatte sich der Aufgabe, Kapitän Prii von seiner Mannschaft zu trennen, diskret, jedoch mit Bestimmtheit entledigt.
    Er suchte das Hotel
Cold Horse
an der Küste auf, wo man die Crew der
Saaremaa
für die Nacht untergebracht hatte, erklärte, als leitender Zolloffizier sei er nicht glücklich über das plötzliche Auftauchen des estnischen Trawlers, und er habe dem Kapitän, der ihn deshalb sofort begleiten müsse, einige Fragen zu stellen.
    Als Tweed eintraf, wurde er in Fairweathers Büro geführt. Olaf Prii saß am Tisch und schlürfte dampfendheißen Kaffee aus einer Schale. Er stand sofort auf, als Tweed eintrat, und seine Erleichterung war ihm nur zu gut anzusehen. Fairweather deutete für Tweed auf einen Stuhl, nachdem seine beiden Besucher einen Händedruck ausgetauscht hatten.
    »Kaffee für Sie, Sir?« fragte er Tweed, ohne ihn beim Namen zu nennen.
    »Nein, vielen Dank.«
    »Dann lasse ich Sie beiden jetzt für einen netten Plausch allein.
    Wenn Sie fertig sind – mein Schlafraum ist die erste Tür rechts, wenn Sie von hier rausgehen. Ich werde Kapitän Prii zu seinem Hotel zurückbegleiten – bloß um den Schein zu wahren.«
    Prii war größer, als Tweed ihn in Erinnerung hatte. Seine Haut war wie Leder, als Folge Gott weiß wie vieler Sturmnächte auf der Kommandobrücke seines Schiffes. Die Hakennase verriet Charakterfestigkeit, die Augen waren wachsam und lebhaft.
    »Ich fuhr los, sobald ich konnte«, sagte Tweed auf deutsch. »Ich freue mich auch sehr, Sie zu sehen. Unser System funktioniert.
    Also, was haben Sie mir zu sagen?«
    »Schlechte Nachrichten aus Estland, fürchte ich. Die Lage wird mit jedem Tag schlechter. Haben Sie gewußt, daß man sechzig Prozent aller Esten aus Tallinn weggebracht hat? Die Sowjets haben sie durch Fremde ersetzt, etwa durch

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