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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Leonore, die laut lamentierte: »Der arme Junge! Er hat sich einfach zu viel aufgebürdet! Ich habe ja getan, was ich konnte, um ihn zu unterstützen, aber was nutzt das, wenn keine Frau bei ihm bleiben will?«
    Dieser Seitenhieb galt natürlich mir.
    Ein Stück weiter entdeckte ich Lisa. Sie war ebenfalls grün vermummt. Ich sah nur ihre schreckgeweiteten Augen.
    »Barbara! Endlich!« Sie machte ein paar Schritte auf mich zu. »Ich wollte dir IMMER schon sagen, dass ich unbedingt mit dir befreundet bleiben möchte …«
    Ich stieß sie weg.
    »Wo ist Fanny? «
    »Charlotte und Pauline sind mit ihr in die Kantine gegangen. Das Au-pair-Mädchen ist mir hier zusammengeklappt.« Sie zeigte zur Wand, wo ein zusammengekrümmtes Geschöpf auf dem Boden hockte, das genauso grün im Gesicht war wie ihr Mundschutz. Das zerbrechliche Wesen bestand nur aus Haut und Knochen. Das musste die Tänzerin aus der Ukraine sein!
    »Und wie geht es Volker?«, fragte ich hastig, wobei ich mich über die vielen anderen Frauen wunderte.
    »Wissen wir noch nicht«, sagte Lisa aufgeregt. Ihre Stimme überschlug sich. »Barbara! Es war alles GANZ ANDERS , als du denkst! Ich MUSS mit dir reden …«
    »Nicht jetzt. Wird Volker … überleben?«
    »Er ist gerade erst aus dem OP -Saal gekommen und befindet sich im Aufwachraum. Er wird noch künstlich beatmet.« Lisa wischte sich mit zitternden Fingern die Augen. Ihre Schminke war vollkommen verlaufen.
    »Wenn der jetzt stirbt, dann bringe ich mich um!«, schluchzte das Au-pair-Mädchen auf. »Der darf jetzt nicht sterben! Ich brauche ihn doch jetzt!«, rief sie mit russischem Akzent.
    Ich beugte mich fragend zu ihr herab. Was meinte sie denn damit?
    »Das hat ihm einfach den Rest gegeben«, mischte sich jetzt wieder laut klagend Leonore ein. »Er KANN nicht für noch ein Kind sorgen! Einmal muss wirklich Schluss sein!«
    Moment. Wie meinte sie denn DAS jetzt? Redete sie von Fanny, oder gab es etwa schon wieder Neuigkeiten im Hause Wieser?
    Meine Augen zuckten zwischen den grün gekleideten Frauen hin und her, deren Gesichter hinter dem Mundschutz versteckt waren. Gab es hier irgendwie Erklärungsbedarf? War Volker DESWEGEN zusammengeklappt? Hatte sein Herz deswegen gestreikt? Mein Mund war völlig ausgetrocknet.
    Links von der Tür lehnte Wiebke mit verschränkten Armen an der Wand. Ihre Augen verrieten keinerlei Gefühl. Mein ratloser Blick wanderte weiter. Am anderen Ende des Ganges stand noch eine weibliche Gestalt in Grün. War das eine Krankenschwester? Offensichtlich nicht, denn sie wartete genau wie wir. Gehörte die auch zu uns? Ich meine – war sie wegen Volker da, oder gab es hier noch einen anderen Patienten?
    Sie kam mir bekannt vor. Nur woher? Diese roten Haare, die da unter ihrem Häubchen hervorquollen – wo hatte ich die schon einmal gesehen? Und diese Augen … Ach ja! – Nein. Oder doch? Das war doch die Mutter des fünfzehnjährigen Bengels aus dem Café Demel? Mit der ich so gern ins Gespräch gekommen wäre? Und die dann auf einmal so plötzlich gegangen war. Was machte die denn hier?
    Sie schaute mich über ihrem Mundschutz hinweg an und nickte verlegen.
    Ich grüßte automatisch zurück.
    Was … Wie … Wieso wusste die von Volker?
    Plötzlich durchzuckte mich ein schier unglaublicher Gedanke. Dieser Bengel. Der hatte Nathan so ähnlich gesehen. Die Frau war öfter in meiner Nähe gewesen! Sie hatte Volker und mich beobachtet! Und er war immer plötzlich aufgebrochen, wenn er sie entdeckt hatte! Oder aber SIE hatte die Flucht ergriffen. Ich sah sie zahlen und mit ihrem teilnahmslosen Bengel die Treppe hinuntereilen. »Frau Wieser, diese Ähnlichkeit sämtlicher Kinder mit dem Herrn Doktor!«, klingelte es mir wieder in den Ohren.
    Peng! Mein Herz. Noch so ein Aussetzer. Immerhin befand ich mich praktischerweise schon im Landeskrankenhaus. Ich brauchte einfach nur umzufallen. Nein, nicht auch noch die!, dachte ich. War SIE etwa die Patientin, bei der Volker im mer vorbeischaute, weil sie angeblich keinen Aufzug hatte? Sie WAR gar keine Patientin. Und Treppen steigen konnte die auch. Seine regelmäßigen Hausbesuche waren rein privater Natur gewesen. Wie alt war der Junge? Fünfzehn? Sechzehn? Siebzehn? Dann hatte das Kapitel mit der Rothaarigen schon vor meiner Zeit angefangen? Wie hatte die neugierige Alte im Café gesagt? » Kürzlich traf ich noch die Gerlinde, die im Haus vom Doktor Wieser und der Wiebke gewohnt, hat mit ihrem Sohn. Die wohnt ja jetzt da hinten

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