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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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frühsommerlichen Altsalzburger Kulissenzauber hineinlockte, wurde mir auf einmal bewusst, wie sehr ich mich auf den Sommer mit meiner Nachbarin freute.
    »Na, was gibt’s heute Gutes zu essen?«
    Volker rieb sich schon die Hände, nachdem er seine schwere braune Arzttasche auf die Kaminbank gewuchtet hatte. Doch erst mal breitete er die Arme aus. Ich riss mir die Schürze ab, warf sie über eine Stuhllehne und ließ mich jubelnd wie ein Kind hineinfallen. Um meinen Volker mit den üblichen wilden Begrüßungsküssen bedecken zu können, musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen. Doch dann konnte ich ihn umhalsen und an mich drücken, als gäbe es kein Morgen. Ich war so unendlich verliebt in meinen Mann, dass ich auf diese innigen Begrüßungsattacken einfach nicht verzichten konnte. Wie immer schloss Volker ergeben lächelnd die Augen und ließ sich von mir abküssen, während ich seinen wunderbaren Duft in mir aufsog. Volker benutzte kein Parfum. Er roch – nach Volker, dem Aphrodisiakum schlechthin. Seine Bartstoppeln kratzten mich ganz leicht; er musste sich zweimal am Tag rasieren.
    »Kalbsbraten mit Knödeln und Salat«, flüsterte ich ihm zärtlich ins Ohr, denn das war schließlich die Antwort auf seine Frage. Meine Güte, ich war wirklich eine Musterhausfrau geworden! Aus lauter Liebe zu ihm! Heute war ich bereits frühmorgens auf der Schranne gewesen, dem bunten Bauernmarkt auf dem Mirabellplatz, und hatte im Vorbeigehen meine Einkäufe erledigt. Jetzt duftete es verführerisch aus der Küche, wo der Kalbsbraten bereits im Ofen schmorte, und die Knödel in brauner Butter auf dem Herd vor sich hin zischten. Heimlich gab ich mir ein Fleißkärtchen.
    »Du bist ein Traum!«, flüsterte Volker heiser an meiner Halsbeuge. »Wenn ein Mann nach getaner Arbeit nach Hause kommt, und es duftet bereits in der Auffahrt nach köstlichem Essen, woraufhin ihn sein zum Anbeißen aussehendes Weiberl begrüßt, das ihn nach so langer Zeit immer noch gern hat, dann darf er sich schon bei seinem Herrgott bedanken …« Er verdrehte die Augen und murmelte: »Himmelvater, dank dir schön.«
    Na gut. Gegen Wiebke konnte ich noch locker anstinken. Da musste er nicht großartig den Himmelvater rühmen. Aber auch der kann ja mal einen schlechten Tag haben. Als er Wiebke schuf, hatte sein Apostelverein wahrscheinlich gerade gegen den ersten FC Satan verloren oder so. »Ach, komm, du willst mich mal wieder verscheißern …« Ich wurde doch tatsächlich immer noch rot! Volker konnte sich so herrlich über mich lustig machen, dass ich oft nicht wusste, ob ich mitlachen oder mich schämen sollte.
    »Nein, im Ernst!« Volker lockerte seine Krawatte und warf sie mit Schwung auf die Arzttasche, wo sie sich ringelte wie eine Schlange. »Ich habe acht kalte, trostlose Jahre mit Wiebke ›Knöterich‹ verbracht. Wenn ich da nach Hause kam, hatte sie weder was gekocht noch sonst was vorbereitet. Höchstens Hagebuttentee und geschroteten Vollweizenbrei.«
    Triumphierend beugte ich mich zur Bank am Kamin, wo ich bereits einen gut gekühlten Riesling bereitgestellt hatte. Nachdem ich sie ihm überreicht hatte, öffnete er geschickt die Flasche, füllte zwei Weißweingläser und reichte mir eines davon: »Prost, mein Schatz.« Wir stießen an wie jeden Abend, und tranken unseren Lieblingswein, einen Hillinger – kalt und trocken, wie ein guter Welschriesling sein muss. Wir saßen eng umschlungen auf der Bank, ich spürte die wohlige Wärme des Kamins im Rücken und die noch viel wohligere Wärme des Mannes an meiner Seite. Das war einer der Momente, die man für immer festhalten möchte. Alles war perfekt! Alles! Die Kinder waren gesund, kamen in der Schule bestens mit und machten uns nur Freude. Volkers Praxis lief fantastisch, mir machte mein Job als Fremdenführerin riesigen Spaß, unser Haus war ein Traum, wir wohnten in der schönsten Stadt der Welt, und jetzt hatten wir auch noch neue, nette Nachbarn, die mich aus meiner Einsamkeit hier in dem Landhaus oberhalb von Salzburg erlösen würden.
    Vertrauensvoll lehnte ich meinen Kopf an Volkers Schulter und schwärmte ihm noch einmal von dem Besuch der beiden am letzten Sonntagabend vor, als er seine Söhne zu Wiebke gefahren hatte. Seitdem hatte ich das junge Paar nicht mehr gesehen. Wiebke hatte ich zum Glück schon länger nicht mehr gesehen. Ich kannte wirklich keinen Menschen, der so wenig Charme hatte, so wenig herzlich war und so wenig versuchte, sich ein bisschen nett zu machen.

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