Der Überraschungsmann
mir immer wieder unter vier Augen, das Spitzenhöschen sei für ihn ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen. Er sei schließlich nicht nur ein Arzt, sondern auch ein Mann. Der gut aussehende Doktor lud mich als Wiedergutmachung zum Essen ein und erzählte mir von seinem trostlosen Dasein mit Wiebke, der Trockenpflaume, von der er sich so oder so scheiden lassen würde, egal ob ich bei der nächsten Impfung einen Baumwollschlüpfer oder ein Spitzenhöschen tragen würde. Genau das waren seine Worte! Meine Wäschewahl könne seinen Entschluss, sich scheiden zu lassen, in keinster Weise beeinflussen, obwohl er persönlich mehr für Spitzenhöschen sei!
Danach lud ich ihn zum Essen ein, natürlich zu mir in meine kleine Wohnung, wo ich ein Fünf-Gänge-Menü zauberte, in des sen Dessert an einer Wunderkerze ein Spitzenhöschen steckte, das dann gleich mitsamt Wunderkerze verbrannte. Der Rest ist Geschichte. Liebe geht durch den Magen. Ja, wir waren schon ein richtiges Traumpaar. In aller Bescheidenheit.
»Wo sind denn eigentlich die Mädels?«, fragte Volker und machte sich sanft von mir los.
»Nebenan auf der Baustelle.« Ich wies mit dem Kopf auf die Panoramascheibe, durch die man hinter der Gartenhecke das neue Haus und den Kran stehen sah. Na gut, bei näherem Hinsehen musste ich zugeben, dass sich unser bisher unverbauter Blick auf die Festung damit erledigt hatte. Das konnte natürlich schon den Unmut meines lieben Volker erregen.
»Die schöne Aussicht ist weg!«
»Ja, aber dafür sehen wir die Festung jeden Tag, wenn wir in der Stadt sind! Du gehst morgens auf dem Mönchsberg joggen und kannst sie dir von dort aus ansehen!«
»Das ist nicht dasselbe. Hol die Mädchen.«
»Sie finden das so aufregend, und ich habe ihnen erlaubt, bis zum Abendessen zuzuschauen.«
Volker runzelte die Stirn. »Ich finde es nicht gut, dass sie sich auf einer Baustelle herumtreiben.«
Diesen autoritären Besserwisserton kannte ich gar nicht an ihm! Das war eher O-Ton Leonore. »Hallo, Volker?« Ich wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Wenn du da drin bist, dann sag dem Mann, der sich hier wie ein Macho aufspielt, dass ich seinen Humor gerade nicht verstehe!«
»Ist das denn nicht gefährlich?«, sagte Volker, schon etwas milder. Trotzdem, irgendetwas HATTE er. Einen Löffel zu viel Spießermüsli aus dem neuesten Schrot-und-Korn-Sortiment seiner Exgattin vielleicht?
»Quatsch! Lisa hat mir versprochen, dass die Kinder hinter der Hecke stehen bleiben. Sieh doch, Paulinchen ist es sowieso schon langweilig geworden! Sie springt auf dem Trampolin herum!«
Tatsächlich. Hinter der Pergola, die unsere große Terrasse vor neugierigen Blicken schützte – vor welchen eigentlich? Vor denen der zukünftigen Nachbarn vielleicht? –, tauchte immer wieder ein Blondschopf auf und verschwand wieder. Und da war noch ein Blondschopf und … ups! … noch ein dritter!
»Wer ist denn das dritte Kind?« Volker spähte nun ebenfalls konzentriert in den Garten.
»Keine Ahnung. Sie haben doch keine Freundin eingela den …?«
Wir standen da, Arm in Arm, jeder mit einem Teller in der Hand, und schauten in unser kleines Reich, das wir bisher für uns gehabt hatten.
»Das ist … Lisa!« Hastig stellte ich den Teller ab und zog Volker in den Wintergarten. Tatsächlich. Mit fliegenden Haaren, jubelnd und kichernd, sprang die neue Nachbarin mit meinen Töchtern auf dem Trampolin herum.
»Na?« Fast triumphierend wandte ich mich an meinen Mann. »Was hältst du von ihr?
»Ist die nicht schwanger, hast du gesagt?«
»Ja! Warum?«
»Dann sollte sie nicht so wild da rumspringen!«
»Ach du!« Ich musste lachen. »Lisa hat gesagt, schwanger sein ist doch keine Krankheit!«
Dass ausgerechnet mein Volker plötzlich solche Bedenken hatte, wunderte mich. Fast schien es mir, als wäre er eifersüchtig auf die neuen Nachbarn. Weil ich so von ihnen geschwärmt hatte? Nein, das bildete ich mir bestimmt nur ein. Wie albern von mir, so etwas zu denken!
Volker hatte inzwischen die riesige gläserne Schiebetür zum Garten geöffnet und trat auf die Terrasse hinaus. Hinter der Pergola hörte man die Mädchen quietschen und lachen.
»Und jetzt noch mal Hand in Hand, Lisa! Los, alle drei!«
»Huch! Also los! Okay, und eins und zwei und drei … Aua, das war mein Kopf!«
»Und jetzt ich! Ich mit Lisa allein!«
»Nein, du warst schon! Jetzt ICH mit Lisa!«
Das Trampolin quietschte unter der Last der drei.
Meine Töchter rangen bereits um ihre
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