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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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denn NOCH sagen? Wenn ihre Eltern sie nicht mehr wollten, dann sollte sie bei uns die nötige Geborgenheit finden. Auf jeden Fall würde ich Sven informieren. Er musste Landurlaub nehmen. Das war ja nun wirklich ein Notfall.
    Es klopfte. Für einen winzig kleinen Moment durchzuckte mich der Gedanke, es könnte Sven sein. Wie ich meinen Volker kannte, hatte er ihn bestimmt schon informiert. Er würde jetzt in seiner ganzen Größe lächelnd in der Tür stehen und »Krabbe, was machst du denn für Sachen?« sagen. Aber natürlich war es nicht Sven. So schnell konnte der unmöglich vom Panamakanal, oder wo er sonst gerade war, herbeieilen.
    Es war eine dunkelhaarige Frau um die vierzig mit Brille, die sich zögernd ins Krankenzimmer schob. Lisas Mutter?! Mein Herz machte einen hoffnungsvollen Hopser. Mein Mund war ganz trocken, als ich aufstand und ihr erwartungsvoll die Hand reichte.
    Als sie fragte: »Sind Sie die Mutter?«, wusste ich, dass ich mich geirrt hatte. Es war die Psychologin.

6
    Wie immer bei uns im Salzburger Land kam der Sommer nach einigen trostlosen Regenwochen, in denen es hartnäckig um die zehn Grad kalt gewesen war, dann doch noch mit strahlendem Sonnenschein.
    Lisa blieb einige Zeit im Krankenhaus. Es ging ihr zunehmend besser, und bald war ihr seelischer Zustand wieder stabil. Sie war eben ein robustes Naturkind, wie Volker immer lächelnd sagte. Ich besuchte sie, sooft ich konnte, aber natürlich hatte ich auch zu Hause meine Pflichten: die Kinder, der Haushalt, der Job.
    Meine täglichen Stadtführungen, die im Sommer besonders überhand nahmen, ließen die Tage in meiner Erinnerung verschwimmen. Plötzlich nahm das Leben ein rasantes Tempo an. Oft waren es drei Touren hintereinander, die ich absolvieren musste. Zweihundert Menschen pro Tag, die ich durch die verstopfte Innenstadt schleuste. Zwischendurch hetzte ich oft für zehn Minuten in die Klinik, nur um Lisa das Gefühl zu geben, dass ich sie nicht vergessen hatte. Ihr Bäuchlein rundete sich inzwischen, und wir überlegten uns sogar schon einen Namen für ihr Töchterchen. Manchmal alberten wir herum, manchmal redeten wir ganz ernsthaft miteinander, und manchmal schwiegen wir auch. Wir hatten uns intensiv angefreundet, und sie war ein Teil meines Lebens geworden.
    Dann kamen plötzlich die Schulferien, und Lisa kehrte heim. Wir freuten uns alle riesig und behandelten sie mit besonderer Rücksicht.
    »Komm, Süße, setz dich hier in den Schatten an den Schwimm teich!«
    Ich breitete ein großes Badehandtuch für sie aus und brachte ihr frisches Obst und einen Stapel Zeitschriften.
    »Die Kinder wissen es nicht«, raunte ich ihr zu. »Wir haben ihnen nur gesagt, dass du etwas erkältet warst.«
    »Gut, danke. Ihr seid alle so lieb zu mir …«
    »Aber jetzt nicht wieder weinen, hörst du?!«
    »Nein, das habe ich auch schon Volker versprochen.« Sie lächelte matt. »Er hat gesagt, eine traurige Mutter schadet dem Kind.«
    »Na, siehst du. Ganz meine Meinung!« Ich legte meine Hand auf ihr Bäuchlein. »Dein Töchterchen hat eine fröhliche, glückliche und entspannte Mama verdient.«
    Sie legte ihre Wange an meine Schulter. »Ich habe DICH nicht verdient!«
    »Warum sagst du das nur immer? Ich bin doch deine Freundin.«
    Lisa biss sich auf die Lippen. Sie schien wirklich schreckliche Gewissensbisse zu haben, weil sie Volker und mich in den letzten Wochen so beansprucht hatte.
    Ich warf einen heimlichen Blick auf die anderen, die am Teich spielten oder lasen.
    »Hast du es eigentlich Sven gebeichtet?«
    Lisa schüttelte nur stumm den Kopf. »Volker meint, Sven muss damit nicht behelligt werden.«
    »Na gut.« Ich zuckte mit den Schultern. »Wie er meint. Er hat wahrscheinlich recht.«
    Lisa seufzte. »Sven kann aus der Ferne sowieso nicht helfen.«
    »Aber dafür tun wir es umso mehr.«
    So. Eigentlich wartete jetzt die Hausarbeit auf mich. Fünf Kinder würden gleich Hunger haben, und Volker kam sicher auch zum Mittagessen.
    »Magst du mit Nathan Bridge spielen?«
    »Nein.« Lisa blätterte bereits in den Zeitschriften. »Nicht böse sein, Barbara, aber er ist irgendwie so blöd zu mir.«
    »Keine Sorge, so ist er zu uns allen. Wir müssen ihn nehmen, wie er ist.«
    »Er ist irgendwie komisch, findest du nicht?« Lisa rupfte kleine Grashalme aus.
    »Vielleicht ist er unsterblich in dich verliebt?«
    Sie schnitt eine Grimasse.
    »Das sollte ein Witz sein«, sagte ich grinsend.
    Lisas Gesicht erhellte sich, als sie Emil sah.
    »Oh, was

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