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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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hinein. Meine Töchter und ich würden perfekt angezogen sein: Wintertracht vom Lanz. Emil und Nathan würden weiße Hemden und Krawatten tragen. Unser Baum würde echte Bienenwachskerzen haben – trotz Krabbelkind Fanny. Auch für die kleine Maus hatte ich ein allerliebstes Winterdirndl erstanden! Den Baum würde ich mit jenen angesagten Kugeln und handgemachten Holzfiguren schmücken, die ich heute auf dem Christkindlmarkt erstehen wollte. Die Krippe aus dem Pinzgau, die Volker vor Jahren einem Bergbauern abgeschwatzt hatte, hatte ich an langen, öden Hausaufgabennachmittagen bereits neu angestrichen, wobei ich mir dieses Jahr eine kleine Überraschung ausgedacht hatte: Aus dem Schlot kam nämlich Weihrauch. Bei dieser komplizierten Bastelei hatte mir Emil sehr geholfen. Mit meinen Töchtern und Patschhändchen Fanny hatte ich bereits sechs verschiedene Sorten Plätzchen gebacken – wir hatten ein Rezept aus dem fernen Osten aufgetan, mit Zimt und Pfeffer. Ich hatte schon vergessen, wie viel Arbeit es machte, danach die Küche wieder aufzuräumen. Aber was machte das schon! Da ich schon im Oktober angefangen hatte, kleine Päckchen zu packen, konnte ich es mir in diesem Jahr leisten, für jeden Gast einen individuellen Gabentisch zu decken. Mein Geschenk an Volker würde dieses harmonische Familienfest sein. Überra schung: Nach der Christmette würden auch noch Lisas Freunde vom Mozarteumorchester kommen und bei uns im Musiksalon spielen! Natürlich jene Teile aus dem Weihnachtsoratorium, in denen Lisa glänzen konnte. »Und alsobald war da bei dem Engel … Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird!«
    Alle würden staunen, und sogar meine liebe Schwiegermutter Leonore würde sich eingestehen müssen, dass es für Volker ein großes Glück war, MICH gefunden zu haben. An diesem Weihnachten würde ich vor ihren Augen bestehen können.
    Na gut, ein bisschen stressig war es dann am Ende doch noch geworden, mit dem Putzen, Kochen, Decken und Dekorieren – und das alles mit einem Kleinkind am Bein, das soeben laufen gelernt hatte! Ständig rannte ich hinter Klein Fanny her, die natürlich alles auskundschaften wollte.
    »Nicht auf die Stufen!«; »Vorsicht, heiß!«; »Nein, jetzt nicht, Süße! Zum Vorlesen habe ich jetzt keine Zeit!«; »Charlotte, Pauline, MÜSST ihr jetzt computerspielen? Nehmt mir doch mal die Kleine ab!«
    »Mama, DU hast sie adoptiert! Nicht wir!«
    »Vorsicht, lasst sie nicht in den Matsch draußen! Spielt mit ihr im Kinderzimmer, bitte!«
    Endlich, endlich, endlich saßen meine drei Mädchen geschniegelt und gestriegelt im Wohnzimmer vor dem Fernseher. »Lasst sie auf keinen Fall an die Kerzen, ja? Die machen wir erst nachher an, wenn Oma Leonore da ist!«
    »Ja, Mama! Du nervst!«
    »Wann kommt endlich Lisa?«
    »Jeden Moment! Papa holt sie vom Flughafen ab!«
    »Da! Da ist sie!«
    Volkers Wagen bog mit seinen neuen Winterreifen in die Einfahrt ein. Das grüne Tor glitt lautlos zurück.
    Sechs Mädchenbeine rannten los. Die Haustür wurde aufgerissen. Eiskalte Luft strömte herein. Draußen tanzten die Schneeflocken im Wind. Alle fielen Lisa um den Hals.
    »He! Lasst sie leben!«, sagte Volker lachend, der sich den Schnee von den Schuhen klopfte.
    »Lisa! Frohe Weihnachten! Willkommen zu Hause!«
    »Hi«, sagte Lisa strahlend. Sie trug ein cremefarbenes Mohairkleid, das bis zu den hohen Overknee-Lederstiefeln reichte.
    »Lass dich anschauen! Wahnsinn, siehst du toll aus!«
    »Boah!«, machten die Mädchen. »Voll der Hammer!«
    Und diese seidigen Haare, dachte ich bewundernd. Wie kriegt sie das nur immer hin!
    Volker trug ihren Louis-Vuitton-Koffer herein, hängte Lisas schicken pelzbesetzten Mantel an die Garderobe.
    »Wir können anfangen!« Mein Liebster rieb sich unternehmungslustig die Hände. Er sah absolut glücklich aus. »Wo sind die Großen?«
    »Noch drüben. Nathan ist gerade erst aufgewacht, und Emil steht unter der Dusche.«
    »Gute Idee!«, sagte Volker, während Lisa ihr kleines Mädchen abschmuste, das mit den Beinchen strampelte und zu mir wollte.
    »Da spring ich auch noch mal schnell hin.« Er warf sein Winterjackett auf die Kaminbank und stapfte fröhlich pfeifend die Treppe zu unserem Schlafzimmer hinauf. »Ist Mutter schon da? Ich höre gar nichts …«
    »Nein. Ich frage mich auch, wo sie bleibt.« Mechanisch räumte ich sein Jackett von der Bank und hängte es in die Garderobe.
    »Leonore wollte doch unbedingt dabei sein, wenn Lisa

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