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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Schwiegermutter Leonore und Exfrau Wiebke.
    Lisa sang und strahlte mit dem Christbaum um die Wette. Sie schien endgültig über Sven hinweg zu sein. Leonore saß lächelnd am Klavier und begleitete sie. Alle Kerzen flackerten, alle Wangen waren gerötet, alle Augen glänzten. Unsere Gläser klangen, sogar Wiebke trank hie und da ein Schlückchen mit, wenn sie auch ansonsten auf ihren mitgebrachten Tees beharrte. Dafür, dass Wiebke normalerweise zum Lachen in den Keller ging, war sie heute geradezu gelöst und heiter.
    »Tja, Barbara, da hast du deinen Volker aber glücklich gemacht!«, sagte sie mit schmalen Augen und lächelte so komisch.
    »Danke«, sagte ich so bescheiden wie möglich. Tja, meine Liebe, nur kein Neid. Ich habe GEWUSST , dass ich dir mit meinem Weihnachtsfest imponieren kann.
    »Letztlich bekommt Volker immer, was er will, nicht wahr?«, ätzte Wiebke weiter.
    »Natürlich.« Ich bemühte mich, freundlich zu bleiben. »Das hat er ja auch verdient.«
    »Sicher wird es bald eine tolle Überraschung geben.«
    »Das will ich doch hoffen!« Irritiert räumte ich ein paar Teller ab. Wovon redete sie?
    Vielleicht meinte sie … die Handtasche! »Besondere Frauen kriegen besondere Überraschungen«, schlug ich den Ball zurück.
    »Jede Frau kriegt, was sie verdient.«
    Volker übertraf sich selbst an Esprit und Witz, an Aufmerksamkeit und Fürsorglichkeit.
    Lisa erzählte und sang, kicherte und dirigierte mit ihrer Gabel, schilderte Kollegen, Proben, äffte eine dicke Kammersängerin mit unglaublichem Tremolo nach und imitierte deren britischen Akzent. Wir lachten uns kaputt. Leider bekam ich nicht alles mit, weil ich immer wieder in die Küche eilte, um die Spülmaschine zu füllen und neue Gänge aufzutragen. Volker und Lisa wollten mir helfen, aber ich forderte sie stets auf, sitzen zu bleiben. Diese schöne Stimmung durfte nicht durch unnötige Hektik zerstört werden. Wir hatten doch Zeit!
    Später packten die Kinder stundenlang ihre Gaben aus. Klein Fanny bekam so viel Spielzeug, dass ich mit dem Geschenkpapieraufräumen gar nicht mehr hinterherkam. Für die anderen gab es ganze Skiausrüstungen, Kameras, Laptops, Uhren, Klamotten, Spiele, Bücher und für Nathan natürlich das allerneueste Bridgekartensortiment. Für Leonore die » Lustige Witwe « in Großschrift und für Wiebke jene guten Bücher, die ich nie Zeit hatte, zu lesen. Irgendwann waren die Kinder in ihre neuen Spiele vertieft, es gab natürlich Streit, den ich allerdings schlichten konnte, und als Fanny weinerlich wurde, brachte ich sie schnell ins Bett. Als ich wiederkam, zeigte Lisa gerade auf ihrem neuen iPhone Fotos und Kurzvideos von ihren letzten Theateraufführungen. Alle Köpfe waren darübergebeugt. Ich war so stolz auf sie! Sie wirkte so glücklich!
    »Jetzt pack doch endlich mal deine Geschenke aus!« Leonore konnte es gar nicht erwarten, dass ich ihr endlich Aufmerksamkeit schenkte, und zog mich an beiden Händen zum Gabentisch.
    Neugierig machte ich mich über meine Geschenke her, immer in glühender Erwartung dieser weichen roten Lederhandtasche.
    Leonore hatte jedoch wie immer praktische Haushaltsgegenstände für mich ausgesucht – mit der Bemerkung, dass mir da mit beim nächsten Mal der Reisauflauf bestimmt gelingen würde!
    Lisa und ich wechselten amüsierte Blicke. Lisa verdrehte die Augen, und ich bedankte mich artig bei meiner Schwiegermutter.
    Von Wiebke bekam ich außer einer unparfümierten Handcreme aus Bibertalg (»Mir ist aufgefallen, wie rissig deine Hände immer sind – du putzt doch nicht etwa selbst?!«) ein ganzes Sortiment an Abführtees: »Volker hat angedeutet, wie schwierig deine Verdauung oft ist!«
    Ich starrte sie sprachlos an.
    »Na ja, sie nimmt sich nie richtig Zeit dafür«, verteidigte sich Volker, als er meinen entsetzten Blick auffing. »Sie hetzt immer nur herum.« Hastig trank er einen Schluck Wein.
    »Aber gute Verdauung braucht Zeit«, belehrte mich Wiebke. »Als Frau in reiferen Jahren muss man ganz besonders auf sich aufpassen! Besonders, wenn man so viele verdrängte Altlasten mit sich herumträgt.«
    Fassungslos starrte ich sie an. Was sollte denn DER Seitenhieb? Erstens war sie älter als ich, und zweitens hatte ich doch keinerlei verdrängte Altlasten zu verdauen! So ein Blödsinn! Sie war nur neidisch, diese blutleere Dörrpflaume!
    »Ist dein Stuhl weich und hell oder hart und dunkel?« Sie sah mich prüfend über ihre schmalen Brillengläser hinweg an, und ich kam mir vor

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