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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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Wunsch man auch an mich herangetragen hat, ich war immer stolz darauf, ihn zu erfüllen. Meine Kundinnen haben mich »Frank, den Alleskönner« genannt. Ein Titel, auf den ich, wie ich gestehen muss, stolz war, denn ich glaube daran, die Bedürfnisse der Damenwelt zu befriedigen.
    Lydia rutschte unruhig hin und her. Worüber sprach dieser Mann? Der Fernseher plapperte immer noch glücklich vor sich hin. Ein Segen, es musste sich um eine Episode ohne Kimball handeln. »Dinge für die Damen welt« und »Bedürfnisse der Damenwelt« hörte sich etwas merkwürdig an. Aber vielleicht war sie nur zu empfindlich. Vielleicht würde sich das Rätsel lösen, wenn sie weiterlas.
    Nach dieser Einführung muss ich jedoch sagen, dass ich das Geschäft nicht vermisse, denn ich beschäftige mich mit vielen Dingen. Ich unternehme gerne lange Spaziergänge über Land mit meinem Hund Snoop, weil ich glaube, dass ein Gentleman sich fit und gesund erhalten sollte. Deswegen lebe ich auch abstinent und bin Nichtraucher. Der stärkste Drink, den ich mir gestatte, ist eine Fanta Orange an heißen Tagen.
    Wie Sie buddele ich auch gerne im Garten, wenn es das Wetter zulässt, und ich lese viel. Immer seriöse Zeitungen, keine Boulevard-Blätter.
    Und, dachte Lydia mit angehobener Augenbraue, ist der Mid-Ulster Vindicator vielleicht eine seriöse Zeitung?
    Ich aquarelliere und fotografiere gerne und bin Mitglied des Amateurkünstler- und Glamourphotografenclubs von Killycock. Ich mag klassische Musik. Ich halte mich für einen kultivierten Herrn mit anspruchsvollem Geschmack. Ich diniere gerne in guten Restaurants.
    Ich hoffe sehr, dass Sie mir die Ehre erweisen, meinen bescheidenen Brief zu beantworten und dass wir uns kennenlernen.
    Mit freundlichen und respektvollen Grüßen, Frank Xavier McPrunty
    Verlass dich drauf!, dachte Lydia, und steckte den Brief in den Umschlag zurück. Gebildet war er sicherlich, aber auch ein reichlicher Angeber. Mal sehen, was Nummer drei für einer war.
    Sie schob den silbernen Brieföffner – ein Dank von Emily Bingham für ihr Zweier-Examen – durch den Schlitz und entfaltete das blaue Blatt. Sie war froh, dass der Brief kurzgehalten war und auf den Punkt zu kommen schien. Doch kaum hatte sie den ersten Satz gelesen, sah sie, wie sich der Türknauf drehte. Sie stopfte die Briefe unters Kissen und setzte sich gerade auf ihr Bett.
    »Was hast du da gerade gemacht?«
    Mrs Devine stand in der Tür und deutete mit dem ausgestreckten Spazierstock auf Lydias Kissen.
    »Mutter, wirklich! Was erlaubst du dir, in mein Zimmer zu platzen, ohne auch nur angeklopft zu haben?«
    »In meinem eigenen Haus muss ich nicht anklopfen.«
    »Das kann doch nicht wahr sein. Man nennt es Umgangsformen oder Respekt vor der Privatsphäre anderer Menschen.« Lydia war sehrverärgert und stand auf. »Selbst wenn es sich bei den anderen Menschen nur um deine eigene Tochter handelt. Ich wäre dir dankbar, wenn du jetzt wieder zu »Green Acres« zurückgehen und mich in Ruhe lassen würdest. Ich will mich ausruhen.«
    »Damit bin ich durch. Der Idiot von Kimball ist wieder aufgetaucht.«
    »Das habe ich mir jetzt schon fast gedacht!«, blaffte Lydia.
    »Du hast dich jedenfalls nicht ausgeruht.« Elizabeth beäugte ihre Tochter misstrauisch, die knotigen Finger um den Pantherkopf des Stocks geklammert. »Du führst etwas im Schilde. Und du weißt genau, dass ich das immer merke.«
    »Ich habe gar nichts vor!« Sie fasste sich an die Schläfe und seufzte. »Großer Gott, es ist, als würde ich mit einem Kind zusammenleben!«
    »Wenn du nichts vorhast, warum bist du dann so rot im Gesicht?«, fragte Elizabeth.
    »Komm, lass uns Tee trinken und Beatties Schokoladen-Biskuitkuchen essen, ja?« Lydia schlug das Erstbeste vor, was ihr in den Sinn kam, in der Hoffnung, es würde ihre Mutter von ihrem Kissen ablenken.
    »Was für ein Schokoladenkuchen? Beattie hat mir nichts mitgegeben.«
    »Doch, allerdings!« Lydia hakte ihre Mutter unter und führte sie aus dem Zimmer. »Das musst du wohl vergessen haben. Wenn wir ihn nicht bald essen, verdirbt er.«
    »Oh, wirklich?«, sagte Elizabeth verwirrt, und hatte das Kissen vergessen.
    Bevor er sich an diesem Abend ins Bett legte, stand Jamie in seinem Schlafzimmer vor dem zerbrochenen Spiegel und betrachtete kritisch seinen dicken Bauch. Er hatte den Brief abgeschickt. Ja, wahrscheinlich hatte die unbekannte Dame ihn bereits gelesen, und wenn er Glück hatte, würde sie vielleicht auch einen Blick auf

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