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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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stand auf. »Ich gehe nur kurz für kleine Mädchen.«
    Als sie wiederkam, hatte sich Daphne in McPruntys Brief vertieft. Sie sah sie mit einem schalkhaften Lächeln über die Lesebrille hinweg an.
    »Frank, der Alleskönner. Scheint ja ein schneidiger Bursche zu sein.«
    »Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Aber wie findest du den hier?« Lydia pochte auf das einzelne Blatt. Auf den Brief, den Jamie McCloone so sorgfältig abgeschrieben hatte.
    »Also, der hört sich unheimlich solide an. Obwohl ...«
    Daphne sah zu dem Farmer hinüber, der seine Zähne nach dem Essen mit Zahnstochern traktierte. Der Tisch vor ihm war mit Pommes frites und Erbsen übersät. Es sah eher nach einem Kampf als nach einem Mahl aus. Andächtig wie eine Erscheinung der Heiligen Jungfrau Maria starrte er jetzt die Ketchupflasche an.
    »Also, ich persönlich habe nichts gegen Farmer. Mein Gott, ich bin seit über zehn Jahren mit einem zusammen, aber sie können schon reichlich ...«
    Zwei Teller mit Essen wurden ohne jede Ankündigung auf den Tisch vor ihnen geknallt.
    »Braune Soße, Ketchup oder was?«, fragte die Kellnerin.
    Daphne schüttelte verneinend den Kopf. »Aber eins möchte ich doch sagen. Sie können unglaublich dreckig sein. Kann sein, weil sie mit Vieh arbeiten und meistens draußen sind.« Sie spießte Pommes frites auf.
    »Ja, ich weiß genau, was du meinst.« Ihre Freundin versuchte, die Quiche zu zerschneiden. Doch der Boden war so widerstandsfähig wie die Rinde eines Gummibaums. Sie gab es auf und nahm sich mit der Gabel von der Füllung.
    »Aber Daphne, ich beabsichtige doch gar nicht, einen dieser Männer zu ehelichen, ich will ihn doch nur zu Heathers Hochzeit mitnehmen. Hast du übrigens die Einladung bekommen?«
    »Ja, aber wäre es nicht toll, wenn du wirklich jemand Nettes kennenlernen würdest?« Daphne sah ihre Freundin wehmütig an und stellte sich vor, wie ein Ehemann sie »vervollkommnen« würde.
    Der Tee kam, zwei Tassen und zwei Untertassen landeten klirrend neben ihren Tellern.
    »Also, mit welchem sollte ich mich treffen?«
    »Na ja, warum hältst du dir nicht alle Möglichkeiten offen und siehst sie dir beide an? Schaden kann’s doch nicht.«
    »Wahrscheinlich nicht. Aber irgendwie bin ich noch nicht bereit, sie kennenzulernen. Erst brauche ich noch ein paar Informationen.«
    »Stimmt. Schreib ihnen doch zurück und stell ihnen ein paar Fragen.«
    »Was für welche zum Beispiel?«
    Daphne nahm Mr McPruntys Brief. »Also, er schreibt, er sei pensioniert, aber er sagt nicht, wie alt er ist – das ist ziemlich verdächtig. Er kann alles sein, zwischen fünfundsechzig und neunzig. Und frag ihn auch, ob er schon mal verheiratet war. Unser Mr McCloone sagt, dass er gerne liest, also frag ihn, was er liest. Und es wäre auch interessant zu erfahren, was er kocht.« Sie zog eine Grimasse. »Denn wenn ich das recht sehe, heißt ›kochen‹ in der Sprache von alleinstehenden Farmern: Ich haue mir ordentlich was in die Pfanne. Und zwar morgens, mittags und abends.«
    Der Farmer stand auf und ließ dabei sehr laut einen fahren. Die Damen starrten ihn angewidert an, aber ihm schien sein Lapsus noch nicht einmal aufgefallen zu sein.
    »Unglaublich rüde!«, sagte Daphne laut, sodass er sie hören konnte. Lydia wedelte mit der Hand vor der Nase herum und fischte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche.
    »Oje, ich hoffe, Mr McCloone benimmt sich besser als der.« Daphne lehnte sich zurück. »Also, wo war ich? Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Erkundige dich danach, was sie von einer Frau erwarten. Da könnte man doch ein paar interessante Einblicke bekommen, meinst du nicht?«
    In dem Augenblick war ein anhaltendes Hupen zu hören. Draußen vor der Kirche kam eine mit Schleifen geschmückte Austin-Princess-Limousine zum Stehen.
    »Eine Hochzeit! Wie passend, Lydia. Das ist doch ein Zeichen, findest du nicht?«
    »Na sicher doch.« Lydias Stimme war die Skepsis deutlich anzuhören.
    Die arbeitsscheue Kellnerin rannte zum Fenster und sah ganz verzückt hinaus. Alle drei betrachteten die Braut, die am Arm ihres Vaters –meterweise Nylontüll hinter sich herschleppend – strahlend die Treppen emporstieg. Als sie das Kirchenportal erreichten, drehten Vater und Tochter sich um und lächelten in die Blitzlichter hinein.
    »Oh, sieht sie nicht hinreißend aus!«, begeisterte sich Lydia.
    »Ich finde alle Bräute hinreißend«, sagte Daphne, die sich wie ihre Freundin von der Romantik des Anlasses mitreißen

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