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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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geschnitzt war. Sie waren in etwa gleich alt, unverheiratet und hatten keine Kinder, sie lebten beide auf geerbtem Land und ihre Träume waren so vertrocknet wie der von der Sonne aufgebrochene Torf im Moor.
    »Haste recht, Matty«, stimmte ihm Paddy zu. »Ich meinte ja nur ...«
    Den Satz konnte er nicht mehr beenden, denn in dem Moment hörte man draußen vor der Tür lautes Geschiebe und Gezerre. Ein paar Sekunden später flog die Tür auf. Die drei Freunde schwenkten auf ihren Hockern herum, um die Ankunft von Declan Colt & The Silver Bullets zu verfolgen. Zwei Bandmitglieder schleppten atemlos und mit roten Gesichtern Verstärker herein und nickten dem Trio zu, als sie an der Bar vorübergingen.
    Zuletzt kam der Leadsänger, einen Stetson auf dem Kopf, die Arme locker schlenkernd mit einer Zigarette im Mundwinkel. Er trug ein violettes Satinhemd, dessen Kragen flach auflag wie die gespreizten Flügel eines Wanderfalken, dazu eine silberne Weste und eine hautenge weiße Schlaghose, die beide mit Goldbrokat eingefasst waren. Um die Hüften hatte er sich einen ziselierten indianischen Silbergürtel mit den Köpfen von Squaws gebunden, deren Zöpfe und Federn beim Gehen klirrten.An den Füßen mexikanische Rohlederstiefel mit gebogenen Spitzen, roten Fransen und Stahlkappen. In dieser Aufmachung fand Declan sich elegant wie ein irischer Willie Nelson, nur ohne Zöpfe.
    »Wie sieht’s aus, Jungs?« Auf dem Weg zum Hinterzimmer nickte er der Gruppe zu. Ihm gefielen das Klirren der Stahlkappen auf dem gefliesten Boden und sein breiter pseudo-texanischer Akzent.
    Die Jungs an der Bar antworteten ihm, aber Declan ging an ihnen vorbei. Sein eingebildeter Ruhm war ihm zu Kopf gestiegen; er wogte vor seinen Augen wie das Rad eines Pfaus, durch das er kaum hindurchsehen konnte.
    »Ach, Declan!«, rief Jamie seinem glitzernden Rücken hinterher. »Ich hab mein Akkordeon mitgebracht, nur falls du später eine kleine Pause brauchst oder so.«
    Declan drehte sich um, die Daumen in den Gürtel gehakt. Das war für ihn von Interesse.
    »Spielst ja auch gut, Jamie. Wenns nachher richtig voll wird, brauchen wir dich bestimmt noch.«
    Und damit verschwand er.
    Jamie fühlte sich jetzt unglaublich wohl. Der Alkohol und der Gedanke an seinen späteren Auftritt lösten ein seltenes Glücksgefühl in ihm aus und er war plötzlich ganz selbstbewusst. Lächelnd und zufrieden wandte er sich seinen Gesprächspartnern zu.
    Die drei Freunde rauchten und tranken, zogen über Bekannte her, redeten über ihre Farmen und die Zeit verging. Sie bemerkten kaum, wie sich der Pub füllte. Die Tür in ihrem Rücken war andauernd in Bewegung und ließ zum Großteil Paare ein: glühende Fans von Declan Colt und seiner Band. Die Männer kamen mit glänzenden Gesichtern von Baustellen oder Feldern und freuten sich aufs Zechgelage. Die Frauen lächelten aufgesetzt und fragten sich ängstlich, was für Prügeleien sie zu erwarten hatten.
    Jamie und seine Kumpel kannten die meisten Kneipenbesucher, und wenn ein Fremder auftauchte, sahen sie ihn verstohlen an und spekulierten, wer das sein könnte, woher er stammte, was er hier suchte und mit wem, falls er nicht allein gekommen war.
    Immer mehr Männer standen um die Theke herum, einige in Sonntagsanzügen, die frauenlosen in Alltagsklamotten. Rauch hing in der Luft, mit erhitzten Gesichtern brüllten Männer trunken in die lärmende Menschenmenge. Ab und an hob einer die Faust, wenn er sich beleidigt fühlte; sie alle hatten sich ihre Meinungen in ihrer Jugend gebildet und die waren nun in Stein gemeißelt und hatten aus ihnen allen uneinsichtige und starre Menschen gemacht.
    Slopes Frau Peggy tauchte hinter dem Tresen auf. Hinter ihrem Rücken nannten sie sie ›die Kettensäge‹; sie war eine nüchterne Frau, mager wie ein Zaunpfosten mit einem spitzen Gesicht und einer Nase wie eine Sichel. Ihre aufmerksamen Augen waren überall zugleich, und wenn ein Problem auftauchte, ging sie es ohne Umschweife direkt an. Sie hasste die Kneipe, die Männer und das Saufen, hatte eine scharfe Zunge und hielt Slope an der kurzen Leine. Schon vor Langem hatte sie sich eingestanden, dass er und sein Geschäft die Strafe dafür waren, dass sie mit ihm vor der Ehe ins Bett gegangen war. Sie hatten eine Tochter, die sie alle beide hasste. Also opferte sie sich; ein silbernes Kreuz vom Wallfahrtsort Knock baumelte von ihrem Hals, wenn sie mit ihren abgearbeiteten Händen die Gläser ins Spülbecken tauchte.
    »Wie isses,

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