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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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einließ, beschloss er, Dr. Brewsters Rat jetzt umzusetzen. Er würde den Anfang seines neuen Lebens in der nächsten Woche mit einem kurzen Urlaub begehen.
    Er fand Rose McFadden wie immer in ihrer Küche vor, wo sie Teig in Förmchen füllte. Ein Tablett mit Marmeladentörtchen stand schon für den Ofen bereit. Paddy saß in einem Sessel am Herd, den Kopf hinter dem
Mid-Ulster Vindicator
versteckt. Auf dem Herd pfiff leise ein Kessel vor sich hin und in der Ecke dudelte ein heruntergedrehtes Radio. Rose unterbrach das Einfüllen des Teigs und Paddy ließ die Zeitung sinken, als Jamie klopfte.
    »Ach, weißte, mein Paddy und ich haben gerade über dich gesprochen, Jamie! Setz dich doch.« Sie sah ihren Mann an. »Stimmt’s etwa nich?«
    »Doch, stimmt genau«, bestätigte Paddy.
    »Ich hab gesagt: ›Hat Jamie denn mal ’n Brief gekriegt von der Dame?‹ und ›War das nich schlimm, wie dieser Rabauke von Sproule euren Abend bei Slopes kaputt gemacht hat?‹. Paddy hat mir erzählt, dass du ihm eine reingehauen hast, und weißte was, Jamie, wenn ich in deiner Lage gewesen wär, hätte ich ihm selbst eine reingehauen, denn du weißt ja, was man sagt: Wenn ein Mann seine Zunge hütet und seine Hände in den Taschen behält, haut ihm niemand die Fresse ein, und Paddy hat mir erzählt, dass der Lümmel dich vorher mächtig getriezt hat, und dann hat er eben bekommen, was er verdient.«
    Rose hielt inne, um Atem zu holen. Sie streifte selbstgemachte Topflappen über, auf denen zwei Katzen mit orangen Knopfaugen und etwas asymmetrisch positionierten Fellohren prangten. Dieser kleine Fehler war dem Umstand geschuldet, dass Rose sich bei der Anfertigung noch von einer Operation des linken Auges erholte. Im Januar des vorangegangenen Jahres hatte sie sich beim Aufstellen einer Mausefalle (mit einem Würfel reifem Killymacoo-Cheddar) unter dem Waschbecken verletzt und nun löste sich die Netzhaut ab.
    »Ach, solche Sachen passieren eben«, sagte sie über den Vorfall mit Sproule. »Und da kann man eigentlich nichts weiter gegen tun, wirklich.«
    Jamie ließ sich auf den gepolsterten Stuhl am Tisch mit dem Schweinemuster nieder. Rose schob die Tabletts mit den Törtchen und Rosinenkeksen in den Ofen und stellte die Uhr.
    »So, das wäre auch geschafft.« Sie richtete sich wieder auf, sichtlich mit ihrer Arbeit zufrieden. »Und mein Paddy sagt zu mir: ›Jamie hat gestern so gut Akkordeon gespielt wie lange nich mehr, es war besonders gut.‹ Stimmt’s, Paddy, das hast du doch gesagt?«
    »Ja, das stimmt, Rose. Genau das hab ich gesagt.« Paddy faltete die Zeitung zusammen und reichte sie an Jamie weiter.
    »Hast du das von Doris Crink gehört? Die Poststelle ist gestern ...«
    »Ausgeraubt worden.« Rose konnte es nicht ertragen, dass ihr Ehemann derjenige sein sollte, der solche weltbewegenden Nachrichten überbrachte.
    »Ach, du lieber Gott, alles, was ich gespart hab, is bei Doris!«
    Jamie sah entsetzt auf die Schlagzeile:
Poststelle in Tailorstown überfallen. Noch keine Verdächtigen.
Und dann las er den Bericht durch.
    »Keine Angst, Jamie, dein Geld ist sicher«, versicherte Paddy ihm, »denn hier steht ... hier steht ... dass der Räuber ...«
    »... mit nur einem Fünfer abziehen musste«, rief Rose dazwischen. Sie nahm Teetassen aus dem Regal. Jedes Mal, wenn sie Jamie sah, knackte es im Stromkreis ihres Gehirns und sie bekam das Signal: TEE. »Das hat der armen Doris noch gefehlt«, verkündete sie mit Stentorstimme. »Muss ja ein schrecklicher Schock für die Ärmste gewesen sein.«
    »Hier steht, er hätte ’n Gewehr benutzt«, sagte Jamie, während er den Artikel überflog. Er war erleichtert, dass sein Notgroschen sicher war. »Der Herr hilf mir, aber das muss ja wirklich ganz grässlich gewesen sein.«
    »Ja, ganz grässlich, schon für einen Mann, und noch für ... für eine Frau«, stimmte Paddy ihm zu. »Aber weißte, vielleicht war es auch so eine ... so eine Wasserpistole. Manchmal sehn die genauso aus wie ein ... wie ein ...«
    »Ein Hammer?«, bot Jamie an.
    »Nee, ein Hammer doch nicht ... manchmal sehn sie genauso aus wie ...« Paddy konnte sich partout nicht konzentrieren. »Mann, was wollte ich sagen? Sie sehn so aus wie ...«
    »Ein Gewehr?«, steuerte Rose bei.
    »Ja, so ähnlich, nur kleiner.«
    »Eine Pistole?«, rief Jamie.
    »Genau. Das isses!«, sagte Paddy erleichtert. »Diese Wasserpistolen sehen heutzutage schon aus wie ’ne echte Pistole.«
    »Ich weiß nich, wo das noch alles

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