Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
Vom Netzwerk:
Butterröllchen und die hausgemachten Marmeladen an beiden Tischen durch billigere, gekaufte Alternativen zu ersetzen, und sie war zufrieden, als sie beide Tische überprüfte, dass ihren Anweisungen Folge geleistet worden war.
    Bei ihrer kleinen Inspektion bemerkte Gladys plötzlich, wie sich ein Schweigen auf den Raum senkte und das Klirren der Löffel, das Klappern von Porzellan und das Gemurmel verstummten. Einige der Damen hielten sich diskret eine Serviette vor die Nase. Sie drehte sich langsam um und sah etwas erschrocken, dass Mr McCloone das Zimmer betreten hatte und von einer Wolke ranzigen Geruchs umgeben zu sein schien. Und warum trug er diese grässlichen Schuhe mit den hochgebogenen Spitzen am helllichten Tage?
    Ohne Jamies Wissen verbreitete er mit jedem Schritt den umgeschlagenen Geruch des Blue Adonis Aftershave im Zimmer. Gladys hielt sich einen Finger an die Nase.
    »Mr McCloone! Guten Morgen!« Sie setzte ihr falsches Lächeln auf, hielt den Atem an und lenkte ihn zum Tisch an der Küchentür. »Haben Sie gut geschlafen?«
    »So gut wie noch nie, Mrs Milkman, wie noch nie.«
    »Warum trägt dieser Mann so komische Schuhe, Mummy?« Minnie Bradley-Carr hatte ihren rüschenbesetzten Popo aus dem Stuhl geschwungen und stand nun mit dem Finger auf Jamie zeigend da.
    »Lass das, Minnie! Komm sofort wieder her«, sagte ihre Mutter, die Ärztin, warnend. »Du kommst jetzt auf der Stelle her!«
    Jamie zog seinen Stuhl hervor und setzte sich.
    »Ich nehme an, das volle Ulster-Frühstück, Mr McCloone?« Gladys hatte ihm die Speisekarte ausgehändigt und stand flach atmend vor ihm, um ihn von den anderen Gästen abzuschirmen.
    »Ach, sie meinen den großen Teller mit Eiern und Speck und Würstchen und so? Wissen Sie, ich mag das sehr gerne und ich bin sicher, dass es hier besonders gut ist, Mrs Milkman. Aber ich bin auf Diät, denn der Arzt hat mir empfohlen, etwas abzunehmen und ...«
    »In Ordnung, Mr McCloone.« Gladys brachte die Worte etwas zu laut heraus und bemerkte, wie sich wieder eine Stille im Raum ausbreitete, als würde im Theater der Vorhang aufgezogen. »Frühstücksflocken und Toast?«, fragte sie etwas leiser.
    »Einfach nur Tee und Toast, das wäre großartig.«
    Gladys schnipste Sinéad mit den Fingern zu, die gerade mit hochrotem Gesicht und drei Ulster-Pfannen aus der Küche kam. In der Küche herrschten Temperaturen wie in einem Heizungskeller.
    »Würden Sie diesen Gentleman bedienen, Sinéad?«
    »Ja, Miss Gladys.«
    Gladys verließ eilends den Raum. Sie brauchte ein Kopfschmerzmittel und etwas frische Luft. Sinéad servierte den Ärzten und dem Richter die Ulster-Pfannen, dann nahm sie Jamies Bestellung auf. Von der anderen Seite des Raums hinweg beobachteten Elizabeth und Lydia Jamie mit Interesse.
    »Gott, sie ist ganz schön heruntergekommen, dass sie jetzt schon solches Lumpengesindel beherbergt.« Mrs Devine hielt eine ScheibeKartoffelbrot in die Luft und unterzog sie einer genauen Prüfung, bevor sie davon abbiss. »Sie muss ja verzweifelt sein.«
    »Sei ruhig, Mutter!«, schimpfte Lydia im Flüsterton. »Der Mann kann dich doch hören.«
    »Was macht er denn da mit der Serviette?«
    »Hör auf damit, bitte, Mutter!«
    Jamie untersuchte die gestärkte Leinenserviette, die in der Form des Matterhorns gefaltet war, und fragte sich, wofür um alles auf der Welt so ein Ding gut sein sollte. Vielleicht ein Taschentuch, dachte er. Aber warum sollte man sich am Frühstückstisch schnäuzen wollen?
    Er sah sich um, denn er wollte herausfinden, ob die anderen auch solche großen Taschentücher bekommen hatten. Und zu seiner Überraschung lagen jeweils zwei auf den noch leeren Tischen, die anderen Gäste hatten ihre angezogen. Ein Mann hatte sie in seinen Hosenbund gesteckt, die Frau neben ihm hatte eine auf dem Schoß liegen und ein anderer Mann hatte sie unter den Hemdkragen gestopft.
    Ein Lätzchen für Erwachsene, Gott sei mir gnädig! Er folgte dem Beispiel des letzten Mannes und schob sich eine Ecke unter den Kragen.
    »GOTT, WIE GEHT ES DIR, JAMIE! HÄTTE ICH MIR JA NIE TRÄUMEN LASSEN, DICH HIER ZU SEHEN!«
    Jamie zuckte zusammen, so laut und unerwartet war die Stimme der Frau. Doris Crink stand vor ihm.
    »Gott, du bist es, Doris?« Er erhob sich halb aus seinem Stuhl, um galant zu sein.
    »BLEIB BLOSS SITZEN, JAMIE.« Doris zog einen Stuhl heran und setzte sich neben ihn, die Lacklederhandtasche auf den Knien. Jamie fragte sich, warum sie so schrie, aber er mochte sie auch

Weitere Kostenlose Bücher