Der übersehene Mann: Roman
jetzt treffe ich mich mit Miss Devine und brauche keine mehr. Sofort ging es ihm besser. Und in dem Moment hörte er das Keuchen und Stottern des Minor und sah Rose und Paddy den Hügel hinter dem Haus hochkommen.
Lydia und Daphne betraten die plüschige Lobby des Royal Neptune Hotels und gingen auf die Lounge zu. Neben der Eingangstür stand ein Schild mit Bekanntmachungen in goldenen Lettern. Lydia blieb stehen.
»Hoffentlich wird hier heute keine Hochzeit gefeiert.«
»Sieht nicht danach aus.« Daphne setzte die Brille auf. »,Sechzehn Uhr: Monatstreffen des Killycock-Amateurkünstler- und Glamour-Fotografenklubs – Lounge’. Glück gehabt, hört sich nicht nach einer Hochzeit an.«
»Ich weiß nicht, das kommt mir irgendwie so bekannt vor«, sagte Lydia nachdenklich. »Das liegt an dem Namen Killycock, den kenne ich von irgendwoher.«
Daphne sah auf die Uhr. »Es ist fast Viertel nach drei. Soll ich mich noch zu dir setzen, bis er kommt, oder ...«
»Nein, lieber nicht. Du kannst dir doch hier noch etwas die Beine vertreten.«
Daphne nahm sie in den Arm. »Viel Glück!«, sagte sie warmherzig. »Es wird schon gutgehen. Sieh nicht so sorgenvoll drein.«
Lydia wählte einen Tisch am Fenster und las in ihrer
Times
. Sie konnte sich nicht so recht für dieses Treffen erwärmen; seit dem Schlaganfall ihrer Mutter sah sie es eher als eine Pflicht an denn als zwischenmenschliche Begegnung, die sie sich gewünscht hatte.
In der Lounge war nicht viel los. Die Überreste des Mittagsbüfetts wurden gerade abgeräumt und sie war froh, dass sich die letzten Mittagsgäste zum Gehen anschickten.
Um Punkt halb vier sah sie von ihrer Zeitung auf. Ein Trio, zwei Männer und eine Frau, kamen gerade durch die Doppeltüren herein. Sie wusste sofort, dass einer von ihnen Mr McCloone war, denn er trug eine zusammengerollte Zeitung unter dem Arm, die sie für den
Mid-Ulster Vindicator
hielt.
Die Drei standen noch eine Weile plaudernd da und Lydia konnte sie gut beobachten, ohne zu auffällig zu ihnen hinüberzusehen – jedenfalls hoffte sie das. Aber dann starrten sie plötzlich alle drei in ihre Richtung und sie vertiefte sich wieder in ihre Zeitung. Ihre Annahme war richtig gewesen; Mr McCloone war gekommen.
Als sie den Blick hob, kam der Mann mit der Zeitung auf sie zu. Sie atmete tief durch. Er trug einen braunen Anzug und ein gelbes Hemd und kam ihr schrecklich bekannt vor.
»Sie, äh, Sie ... sind nicht zufällig Miss ... eine Miss ... eine Miss Lydeea Devine, oder?«
Sie stand auf. »Doch, die bin ich. Ich heiße übrigens Lydia. Sie müssen Mr McCloone sein.«
»Jawohl ... ich meine ja, genau, das stimmt. James Kevin Barry Michael McCloone. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Devine.«
Lydia fiel auf, dass er furchtbar nervös war. Er hielt ihre Hand in seiner verschwitzen fest und schüttelte sie heftig auf und ab. Als er sie schließlich losließ, fasste er sich an den Kopf, als wolle er eine Kappe abnehmen, zerrte aber nur an seinen Haaren. Sein bestürzter Blick entging ihr nicht, als er die Hand schnell hinter dem Rücken versteckte und dazu auch noch rot wurde.
»Freut mich auch, Sie kennenzulernen, James«, sagte sie mit einem breiten Lächeln. Sie wollte, dass er sich entspannte. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
Der Farmer ließ sich umständlich auf einen Stuhl sinken, nachdem er seinen Mid-Ulster Vindicator auf den Tisch gelegt hatte. Als die Zeitung sich entrollte, konnte man erfahren, dass Killoran Partnerstadt von Adra an der spanischen Südküste wurde, und dass eine ziemlich große Abordnung von Ratsherren zu einer ersten Reise dorthin unterwegs war.Neben der Zeitung stand eine braune Papiertüte und Lydia fragte sich, wie sie das Gespräch in Gang bringen sollte.
Jamie rieb sich das Ohr und starrte aus dem Fenster. Die Luft um ihn knisterte vor Spannung. Lydia hatte Mitleid mit ihm und beschloss, dass Alkohol die Situation entspannen konnte.
»James, was möchten Sie trinken?«
»O nein, Miss Devine.«
»Bitte nennen Sie mich Lydia.«
»Ach so, Lydeea, bitte, es tut mir leid ... ich meine, bitte, ich kümmere mich darum.«
Aber Lydia hatte dem Kellner schon gewunken und nach kurzem Zögern hatte sich der Herr für einen doppelten Whiskey entschieden und die Dame für einen süßen Sherry.
Als der junge Kellner ihre Bestellung aufnahm, fiel Lydia auf, dass es in der Lounge viel wärmer geworden war.
»Sie haben doch wohl nicht etwa die Heizung angestellt? Bei diesem
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