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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Verfilmung von Unter dem Vulkan mit dem wunderbaren Albert Finney, der wie keiner vor und nach ihm die Gestalt eines Trinkers verkörpert hatte, und genaugenommen, wie keiner vor und nach ihm auch die Gestalt eines englischen Gentlemans. Wären alle Engländer so, man müßte dieses Land küssen. Wie schade …
    Man kannte also den Film, nicht aber den Autor. Wobei Reisiger natürlich bewußt war, daß er schlichtweg die falschen Personen fragte. Das gab es nun mal, daß einem das Schicksal nur Menschen zuführte, die über Dinge Bescheid wußten, die einen nicht interessierten. Die nur die Straßen kannten, in die man nicht wollte. Da war es wieder: Kästners Seebühl am Bühlsee, das nur jene Leute kannten, die man nicht danach fragte.
    Auch im örtlichen Telefonverzeichnis war kein Hinweis zu entdecken. Und ein Tourismusbüro blieb auf rätselhafte Weise verborgen. Dennoch war Reisiger nicht wirklich unglücklich. Es ergab sich eine gewisse Reinheit dadurch, daß er diesen Strand und diese Hütte, oder auch nur den Platz, an dem sie gestanden hatte, nicht finden konnte. Nicht finden durfte. Als angle man nach einem Fisch, schlußendlich froh darüber, ihn nicht gefangen, ihn somit weder gequält, verletzt noch getötet zu haben.
    (Dies alles war um so erstaunlicher, als auf dem Gelände von Lowrys Hütte in den Achtzigern ein Park errichtet worden war, den man nach dem Dichter benannt hatte. Aber mal ehrlich: Wer kennt schon die Namen der Parks in seiner Umgebung? Wer beachtet Gedenktafeln, an denen er tagtäglich vorbeiläuft?)
    Reisigers fuhren hinüber nach Montana, wo sie zwei Tage nichts anderes taten, als im Bett herumzuliegen, zu lesen oder zu schlafen und sich das Essen samt einer Flasche Bols aufs Zimmer bringen zu lassen. Montana lag vor ihrem Fenster wie ein großer, langhaariger Wachhund, dem man nicht wirklich trauen konnte.
    Sie verließen die Stadt, ohne sie gesehen zu haben und fuhren quer durchs Land, um schließlich an der Ostküste, in Halifax zu landen, wo man an Bord der Hyperion ging, einem Luxusliner, welcher die Reisenden in der gehobenen Atmosphäre einer verlorenen Epoche hinüber nach Europa bringen sollte, nach Cuxhaven, was allein schon klang, als trete man eine Zeitreise an. Cuxhaven war ein Name von vorgestern, schwer vorstellbar, daß die Stadt überhaupt noch existierte.
    Reisiger betrat das Schiff mit einem unguten Gefühl, nicht etwa, weil dieses schwimmende Hotel einen schlechten Eindruck machte, ganz im Gegenteil. Auch sicher nicht deshalb, da man eine Route fuhr, die in etwa jenen Punkt kreuzte, an dem die Titanic untergegangen war. Ein Unglück, welches derart oft verfilmt worden war, konnte niemandem einen Schrecken einjagen. Umso mehr, als man seit damals in kleinmütiger Weise daran ging, das Abenteuer zu unterbinden und Eisbergen auszuweichen. Das war es also nicht. Das, was Reisiger verunsicherte – wie Wespen das tun, die durch Zimmer fliegen –, war der Name des Schiffs: Hyperion .
    Als astronomisch halbwegs gebildetem Menschen war Reisiger bekannt, daß dieser Hyperion, dieser Titan aus der griechischen Mythologie, nicht nur Hölderlin als Titelfigur gedient hatte und vielleicht auch noch einen Schokoriegel und ein Rasierwasser bezeichnete, sondern auch einem der Saturnmonde seinen Namen gab.
    Saturn!
    Seit Gaziantop, seit er mit Pfarrer Marzell gesprochen hatte, mußte Reisiger nun zum ersten Mal wieder an Siem Bobeck denken. Er hatte diesen Mann, diese ganze Geschichte erfolgreich verdrängt gehabt. Ja, es war ihm in einer Weise entfallen, wie dies Felix von Haug in seinem Über die Vergeßlichkeit und ihren heiligen Nutzen gefordert hatte. Aber so ist das mit den Dingen. Die Dinge haben Geduld. Sie sind wie diese Bakterien, die, im Eis eingeschlossen, Ewigkeiten überleben. Die auf warmes Wetter warten können, während Menschen schon verrückt werden, wenn sie im Supermarkt in eine Schlange geraten. Bakterien und Dinge sind aber anders.
    Reisiger erinnerte sich nun also an jene Bobecksche Nachricht, die darauf reduziert gewesen war, auf dem Saturn zu sitzen und Spaghetti zu kochen. Absolut nichts, womit ein Empfänger etwas anfangen konnte, zumindest nicht, wenn er auf wilde Spekulationen verzichtete. Und Reisiger hatte verzichtet. Auch der Umstand, immer wieder mit Saturn-Bezügen und noch viel mehr mit Spaghetti-Bezügen konfrontiert gewesen zu sein, hatte ihn nicht wanken lassen.
    Jetzt aber, im Angesicht jenes langen, hohen, tatsächlich mehr wie ein Hotel

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