Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Reisigers Fall absolut gar nichts geschehen, was sich geeignet hätte, das Geschehen ansatzweise zu begründen. Eine Frau war in diesen Zug eingestiegen und hatte ihm gegenüber Platz genommen. Nichts sonst. Und jetzt saß dieselbe Person gewichtig auf seinen Unterschenkeln, öffnete den Schlitz seiner Hose und führte mit einer spürbaren Geschicklichkeit ein halb erregtes, halb erschrockenes Glied ins Freie. Von jener Hand umklammert, erlag der halbe Schrecken, weitete sich der Muskel und erreichte seine volle Größe. Ohne ihre Sitzposition entscheidend zu verändern, bog die Frau ihren Kopf abwärts, und mit einer Gelenkigkeit, die Reisiger ihr niemals zugetraut hätte, führte sie sich das Stück in den Mund und tat, was zu tun war.
    Reisiger mußte fürchten, sich augenblicklich zu entladen. Wobei er auf Grund langer Erfahrung gar nicht erst auf die Idee kam, an Dinge wie Ikonenmalerei oder doppelte Buchhaltung oder Staatsbegräbnisse zu denken. Wenn man einmal so weit war, gab es nichts auf dieser Welt, was einem nicht doch irgendwie in die Eier fuhr. Nein, Reisiger war gezwungen, nach dem Kopf der Frau zu greifen und sie sachte aus sich herauszudrücken.
    »Kleine Pause nur, bitteschön«, erklärte er förmlich, ging aber nicht soweit, sich mit Namen vorzustellen. Statt dessen lugte er ängstlich zur Seite, dorthin, wo Kim Turinsky zuletzt gesessen hatte. Es war nicht mehr ganz so dunkel im Abteil. Reisiger stellte eindeutig das Fehlen der jungen Frau fest. Und konnte nur hoffen, daß sie zur rechten Zeit gegangen war. Jedenfalls waren die Vorhänge geschlossen.
    Reisiger kam ein bißchen zur Ruhe, auch insofern, sich nun die Freiheit zu nehmen – obgleich ja noch so gut wie gar nichts enträtselt worden war –, endlich die Brüste der Frau zu berühren. Die Hände seitlich gestellt, zu Schalen geöffnet, hob er die Unterseiten leicht an. Er wog das Vorhandene. Und das war nun weit mehr, als bloß ein Übergewicht an Fett- und Bindegewebe. Reisiger erlebte die beträchtliche Fülle als ein markantes Stück Welt. Als wäre das eben möglich, die Welt zu fassen. Wenigstens einen Teil von ihr. (Auch wenn sich das natürlich nicht gehörte, diese Extraktion von Körperteilen in Gedanken. Zuerst die Zunge, jetzt der Busen.)
    Wenn nun Reisiger dachte, daß es nie schöner gewesen war, so hatte dies einerseits mit der Pracht dieser Brüste zu tun, die bei allem Gewicht sein Gefühl noch verstärkten, sich in einer Raumkapsel, also an einem Ort der Schwerelosigkeit zu befinden. Andererseits profitierte Reisigers Sex ganz eindeutig davon, nicht zu wissen, wie er zu seinem Glück gekommen war. Die Unsicherheit ob dieser Frage wurde bei weitem überwogen von der seltenen Gelöstheit, mit der Reisiger diese heikelste und fragilste aller menschlichen Tätigkeiten praktizierte. Das darf man nämlich nicht vergessen: Sex ist nichts anderes, als eine Vase auf den Boden zu werfen. Sie zerbricht oder zerbricht nicht. Was davon besser ist, bleibt Geschmackssache.
    Die Frau drückte nun ihr Hinterteil ein wenig in die Höhe, rückte die Knie weiter auseinander und griff sich mit einer Hand ans Geschlecht, wie man nach etwas greift, um es am Davonlaufen zu hindern. Kinder, die über die Straße rennen. Ungefähr so. Gleichzeitig faßte sie nach Reisigers Glied und drückte eine einzige Nagelspitze in den Ansatz des Hodensacks. Es war dieses Nebeneinander der Aktionen, das den Verdacht einer gewissen Professionalität aufkommen ließ. Wie Köche in Fernsehsendungen. Aber was hatte das schon zu bedeuten in einer säkularisierten Zeit, in der jeder Laie zum Fachmann für alles mögliche wurde?
    Jedenfalls trieb die Frau ihre Nagelspitze tiefer ins Fleisch, als wüßte sie von Reisigers dreister Behauptung, auf absolut jede Art von Schmerz verzichten zu können. Reisiger blies Luft durch seine geschlossenen Zahnreihen und hob den Kopf an, sodaß er zwischen die Brüste geriet. Die Frau drückte ihn zurück, ohne jede Leidenschaft, bloß ein wenig Platz schaffend, um sich problemlos den wieder vollständig aufgerichteten Penis einzuführen. Sie tat dies mit einer langsamen und gleichmäßigen Bewegung, den eigenen Körper sehr gerade haltend, die beiden Geschlechtsorgane wie Geräteteile zusammenfügend.
    Überhaupt muß gesagt werden, daß der heutige Mensch, der stets bemüht ist, sich von noch gar nicht existierenden Androiden und anderen Maschinenmenschen vor allem durch seine Geschlechtlichkeit zu unterscheiden, gerade das

Weitere Kostenlose Bücher