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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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interessierte Reisiger weniger. Mozarts Musik war ihm wie jede Musik zu vage, und was er sich unter der Mesmerschen Lehre vom animalischen Magnetismus vorzustellen hatte, blieb ihm ein Rätsel. Umso mehr begeisterte ihn, von der Freundschaft des Habsburgers mit dem Astronomen Sir William Herschel zu erfahren. Herschel hatte im Auftrag des Habsburgers einen seiner berühmten Reflektoren angefertigt, wobei der Transport ins ferne Purbach einen enormen Aufwand bedeutet haben mußte. Aber Kostspieligkeiten waren nun mal das Salz in der Suppe der meisten Habsburger.
    Unumwunden gestand Reisiger seine Begeisterung für die Betrachtung des Sternenhimmels, insbesondere des Mondes. Was er selten tat. Zumeist hielt er seine große Leidenschaft vor anderen Menschen verborgen. Mit keinem Wort freilich erwähnte er das Lottospiel oder gar seine unglückliche Verbindung zur Malerei des Peter Paul Rubens.
    »Wenn Ihnen die Astronomie so am Herzen liegt«, sagte Bobeck, »werden Sie die größte Freude mit unserer kleinen Sternwarte haben. Hinten am Haus liegt ein Wäldchen, in das sie gebaut wurde. Ende des neunzehnten Jahrhunderts, vom damaligen Besitzer, einem gewissen Furness. Einem vergessenen englischen Dichter. Vergessener kann man gar nicht sein. Seine Elegien sind verweht. Seine Sternwarte aber steht. Ich habe sie renovieren und mit einem halbwegs vernünftigen Teleskop ausstatten lassen. Was ein wenig so ist, als ob man in einen historischen Tierkäfig ein heutiges Tier sperrt. Kein großes Tier freilich, ein Fernrohr für den Hausgebrauch.«
    »Das ist eine Untertreibung«, mischte sich Claire Rubin ein, »wenn man weiß, was dieses Rohr gekostet hat.«
    »Na, sagen wir«, schwächte Bobeck ab, »ein Teleskop für den erweiterten Hausgebrauch. Im wahrsten Sinne. Wobei ich es selten benutze. Der Mikrokosmos steht mir naturgemäß näher. Aber wenn Sie wollen, könnten wir heute nacht einen Blick in den Himmel wagen.«
    »Auf den Mond«, sagte Reisiger mit Begeisterung.
    »Eine Reise von vernünftigem Ausmaß«, bestätigte Bobeck.
    »Ohne Mond wäre ich nicht hier«, gestand Reisiger und legte nun dar, daß es der Name »Purbach« gewesen war, der ihn veranlaßt hatte, die Einladung anzunehmen. Er sprach nun von jener lunaren Wallebene gleichen Namens.
    »Wie rührend«, sagte Claire Rubin ohne offenkundigen Hohn, »sich von so etwas leiten zu lassen.« Nicht, daß sie ein großes Interesse an Wallebenen besaß.
    Bobeck hingegen zeigte sich informiert, wußte um jenen Georg von Peuerbach, der seinen Namen der im Bezirk Grieskirchen gelegenen Ortschaft Peuerbach verdankte. Um sogleich einzuwenden: »Mit unserem Purbach hier hat das leider nichts zu tun. Da muß ich Sie enttäuschen.« 
    »Nun«, sagte Reisiger, »ich hatte nicht erwartet, daß sich ein direkter Bezug zu meiner geliebten Mondlandschaft herstellen ließe. Aber vielleicht läßt sich einer ja konstruieren.«
    »Das wäre dann eine Sache«, meinte Bobeck, »bei der Ihnen meine Frau behilflich sein müßte. Beim Konstruieren.«
    Man kam nun also doch auf Claire Rubins norwegische Welten zu sprechen. Auf Sinn oder Unsinn erfundener Figuren. Sprach aber mit Amüsement darüber. Reisiger gestand nun auch in Gegenwart der Autorin, noch nie eines ihrer Bücher gelesen zu haben und – noch schlimmer – auch ihre berühmten Schlager und Chansons nicht wirklich zu kennen. Wie zum Ausgleich drang wenigstens das Wort »Chanson« gleich Goldstaub über seine Lippen.
    Frau Rubin schien richtiggehend erfreut ob einer solchen Bildungslücke. Sie meinte, daß ein Mann, der für den Mond schwärme, wahrscheinlich alles habe, was er brauche. Gerne hätte Reisiger ihr zugestimmt, lächelte aber wie über einen Scherz.
    Nach einem zweiten Whisky entließ man Reisiger in seine Nachmittagsruhe. Man wollte ihm die Möglichkeit geben, sich ein wenig auszuruhen, vielleicht auch einen Spaziergang zu unternehmen, was auch immer, um dann für den Abend und die Nacht die nötige Kondition zu besitzen. Weitere Gäste wurden erwartet. Im zentralen Kuppelsaal war ein Fest geplant.
    »Gibt es einen Anlaß?« fragte Reisiger abschließend.
    »Ein neues Buch meiner Frau«, stöhnte Bobeck. »Es heißt Der Umfang der Hölle . Na ja.«
    »Es kommen nur die nettesten Leute«, erklärte Rubin. »Sie werden sich amüsieren.«
    »Sicherlich, Frau Rubin«, sagte Reisiger. Wie man sagt: Zu Befehl, gnädige Frau.
    Beim Hinausgehen aber wunderte sich Reisiger. Nicht wegen des Festes. Sondern darüber,

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