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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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daß man – vom Rösnerschen Zwischenfall abgesehen – mit keinem Wort über den toten Fred Semper gesprochen hatte. Daß weder Bobeck noch Rubin hatten wissen wollen, warum er, Reisiger, sich an besagtem frostigen Tag derart ins Zeug gelegt hatte. Aber das würde wohl noch kommen. Er war überzeugt, daß diese Leute etwas von ihm wollten. Eine Erklärung. Ein Versprechen. Irgend etwas. Und daß er nicht nur hier war, um Fisch und Kaffee und Whisky zu konsumieren und sich den Mond ansehen zu dürfen.

Tragödie des Glücks
    Es war jene geschickte Susanne, die Reisiger auf sein Zimmer brachte. Die Stufen einer herrschaftlich breiten Treppe voraussteigend, büßte sie zusehends ihr Schmollen ein und klärte Reisiger mit einem vielsagenden Lächeln darüber auf, daß er zu den wenigen gehöre, die hier im Gebäude untergebracht seien. Die wenigsten Räume würden sich als Gästezimmer eignen. Zu viele wertvolle Kunst stehe herum. Schon manches sei zu Bruch gegangen nach einer ausgelassenen Feier, auch bestehe schlichtweg ein Mangel an Betten. Die meisten Gäste würden in den beiden nahe gelegenen Wirtshäusern oder in einer der kleinen Pensionen untergebracht werden. Logistisch keine Kleinigkeit.
    »Und Sie selbst«, fragte Reisiger, »wohnen Sie auch im Haus?«
    »Ja. Das gesamte Personal. Wir verstehen es, auf die Dinge acht zu geben.«
    »So wie Sie es verstehen, Handtaschen zu entwenden.«
    »Ich frage nicht nach dem Sinn einer Anweisung. Frau Rubin hatte wohl ihren guten Grund.«
    »Das ist richtig«, räumte Reisiger ein.
    Susanne wiederum räumte ein: »Handtaschenraub ist nicht meine Spezialität. Wenn es das ist, was Sie interessiert.« Dann fügte sie an: »Ihre kleine Freundin scheint Ihnen abhanden gekommen zu sein.«
    »Sie war nicht meine kleine Freundin«, sagte Reisiger und dachte nun laut darüber nach, auf welche Weise die vor die Tür gesetzte Eva Rösner überhaupt zurück nach München gelangen könne.
    »Tom hat sie zum nächsten Bahnhof gebracht«, teilte Susanne mit.
    »Auf den Service wird wirklich geachtet.«
    »Auch ungebetene Gäste sind Gäste, um die man sich kümmern muß.«
    »Noble Einstellung«, stellte Reisiger fest und trat hinter der Hausangestellten in einen rechteckigen, schmalen, aber hohen Raum, dessen Wände in Pompejanischrot gehalten waren und eine ganze Menge des Lichts schluckten, welches durch die einzige Öffnung, eine Balkontüre, drang. Dahinter ergab sich der Blick auf die Rückseite der Anlage, einen kleinen, französischen Park mit viel beschnittener Natur und einem zentralen Brunnen, der noch ohne Wasser war oder es auch bleiben würde. Hinter dem Park begann jenes von Bobeck erwähnte Waldstück aus halbhohen Tannen, über denen Reisiger, der auf den Balkon getreten war, die im Sonnenlicht gleißende Kuppel der Sternwarte erkannte.
    Auch wenn gesagt worden war, daß Reisiger den Mond am liebsten ohne irgendwelche Hilfestellungen betrachtete, versetzte ihn der Anblick eines Observatoriums sowie die Aussicht, die kommende Nacht dort oben zu verbringen, in die allerbeste Stimmung. Ihm war, als warte auf ihn eine Entdeckung. Was für eine Entdeckung auch immer. Allerdings war er sich im klaren darüber, daß ausgerechnet jener Purbachsche Krater sich in einer Zone befand, die bei Vollmond kaum wahrzunehmen war. Was ihm aber nur folgerichtig erschien, wenn er daran dachte, den Ort Purbach, in dem er sich gerade befand, auf keiner einzigen Landkarte aufgestöbert zu haben. Manchmal lagen die Dinge in einem kräftigen und senkrecht auftreffenden Licht, welches sie unsichtbar machte.
    Reisiger ging zurück in sein Zimmer, wo noch immer Susanne stand und nun auf einen Nebenraum verwies, in dem das Bad untergebracht war. Sodann wechselte sie mit zwei Schritten die Zimmerseite und vollzog eine Handbewegung, mit der üblicherweise Erziehungsberechtigte Fernsehverbote bekräftigen. Die Handbewegung galt einem Eichenholzschrank, von dem Susanne erklärte, daß sich darin eine Minibar befände.
    Reisiger fragte nicht, welche Regeln für die Minibar gelten würden. Er fragte auch nicht, ob man nicht etwa das einzige Bild an der Wand weghängen könne, ein mit einem breiten Goldrahmen ausgestattetes Stilleben, auf dem sich neben allerlei Blumen und Früchten auch ein toter Hase, ein totes Rebhuhn, eine lebendige Eidechse und ein mit vier getupften Eiern gefülltes Vogelnest befanden. Von Insekten, Raupen, Schmetterlingen und unzähligen Tautropfen einmal abgesehen. Ein Dschungel

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