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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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soll.«
    »Das bedeutet«, erklärte Rubin, »daß Sie, verehrter Herr Reisiger, als eine Art Trojanisches Pferd fungiert haben. Oder sollen wir denn wirklich glauben, Frau Turinsky sei eine alte Freundin von Ihnen?«
    »Nun …« Reisiger zögerte. Er hatte sich in eine unmögliche Situation gebracht. Nie und nimmer hätte er einen solchen Schwindel auf sich nehmen dürfen. Auch wenn ihm dieser Schwindel harmlos erschienen war, eine Spielerei. Aber damit mußte nun Schluß sein. Er sagte: »Die Wahrheit ist, daß ich Frau Turinsky gerade erst in München kennengelernt habe. Ein purer Zufall.«
    »Wie zufällig denn?« fragte Rubin und vollzog ein spöttisches Gesicht. Die Narbe an ihrer Braue schien sich ein wenig zu weiten, als entwickle sich dort oben ein kleines Megaphon, das alles Gesagte verstärkte.
    Leo Reisiger, nervös wie noch selten zuvor, weit nervöser als in dem Moment, als er sich mit Fred Semper und seinen Schlägern angelegt hatte, griff nach seiner Zigarettenpackung. Und erinnerte sich nun deutlich, wie sehr Kim Turinsky auf seiner Bekanntschaft bestanden hatte. Er drehte sich zu ihr, betrachtete sie scharf und sagte, wieder zur Distanz des Sies wechselnd: »Reden Sie! Sagen Sie, was los ist! Sie sind mir auf die Pelle gerückt, als wäre ich der letzte Mann auf dieser Welt. Nicht, daß ich das persönlich genommen habe. Ich dachte, es stimmt, wenn Sie sagen, Sie hätten einfach Lust, aus München herauszukommen.«
    »Was auch genau der Fall war«, meinte Turinsky in einem Ton, der wohl beleidigt klingen sollte. »Wissen Sie denn nicht mehr? Es waren Ihre Zigaretten, warum ich Sie ansprach. Hätten Sie was anderes geraucht, ich schwöre Ihnen, ich wäre nicht stehen geblieben.«
    »Was Sie nicht sagen, Frau Rösner «, brachte Claire Rubin diesen neuen Namen aufs Tablett. »Wie sind Sie bloß auf den Namen Turinsky gekommen? Wenngleich natürlich Turinsky um einiges aufregender klingt als Rösner. Wenn Leute sich pompöse Künstlernamen zulegen, dann zeigt das meistens, wie klein sie sich bisher gefühlt haben müssen. Wenn sich jemand Madonna nennt, mein Gott, was muß der Mensch vorher alles durchgemacht haben. Von Prince ganz zu Schweigen. Das hört sich an, als würden Zwerghasen sich für Großkatzen ausgeben.«
    Turinsky war erstarrt. Aufrechter und steifer konnte man nicht mehr in einem Sessel sitzen. Einen Moment zögerte sie, schien nach Worten zu suchen. Die Worte fanden sich aber nicht. Sie stand auf. Man sah ihr an, daß sie jetzt nichts lieber getan hätte, als aus dem Raum zu laufen.
    »Sie sind noch nicht lange im Geschäft, nicht wahr?« meinte Rubin mit Genuß.
    Turinsky ignorierte die Bemerkung, fragte bloß, woher Rubin ihren Namen kenne.
    »Sie sollten besser auf Ihre Handtasche aufpassen«, empfahl die Hausherrin. »Es mag ja ein Klischee sein. Aber eine Frau, die nicht bemerkt, wenn ihr die Handtasche abhanden kommt, scheint so ziemlich im unreinen mit sich zu sein. Man verliert ja auch nicht sein Herz, ohne daß es einem auffallen würde.«
    Turinsky sah an sich hinab. Ordnungsgemäß lehnte jene 150-Millionen-Tasche an ihrer Hüfte.
    »Was denken Sie«, lächelte Rubin, »daß ich Ihnen die Tasche unter der Achsel wegstehle? Als mir Tom von Ihnen berichtet hat, war mir klar, daß da etwas nicht stimmt. Daß Sie nie und nimmer die gute, alte Bekannte von unserem Herrn Reisiger sein können. Nicht, weil ich Herrn Reisiger keine jugendlichen Bekanntschaften zutraue. Herr Reisiger hat sich in der extremsten Weise mit Fred und seinen Freunden angelegt. Man muß ihm also alles mögliche zutrauen. Leider auch, daß er sich von einer heuchlerischen, kleinen Tussi einwickeln läßt.«
    »Ich brauche mir das nicht anzuhören«, erklärte Turinsky. Aber ihr Trotz stand auf schwachen Beinen.
    »Wir sind gleich fertig«, bestimmte Rubin. »Nachdem mir das alles nicht koscher erschien, vor allem Ihre Behauptung, keine Ahnung davon gehabt zu haben, welche Rolle Herr Reisiger in der Sache mit Fred gespielt hat, habe ich Susanne – sie hat uns eben den Kaffee serviert – darum gebeten, mir Ihre Tasche zu bringen. Susanne ist ein liebes Mädchen und nicht ganz ungeschickt. Sie hat beim Servieren die Tasche an sich genommen, hierher gebracht und wenig später wieder zurückgestellt. Ich war schon gründlich erstaunt, als ich darin eine Pistole entdecken mußte. Allerdings auch einen Waffenschein. Das geht soweit also in Ordnung. Bloß daß dieses Papier eben nicht auf Kim Turinsky, sondern

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