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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Hexe?«
    »Bis du blind?« fragte Claire Rubin und war nun ebenfalls in das leere Innere des Omegas getreten, wo sie in einiger Entfernung zu den Sempers stehenblieb, ihre Arme verschränkte und eine leicht schräge Haltung einnahm, als würde sie sich gegen eine unsichtbare Wand lehnen. Dann sagte sie: »Hör zu, Gerdaschätzchen, wenn ihr Geld braucht – und was sonst könntet ihr brauchen, du und deine wunderbare Familie? –, dann kommt doch bitte am Montag wieder. Wir haben gerade Gäste, wie du vielleicht feststellen kannst. Es ist einfach nicht üblich, Schecks an die Verwandten auszustellen, wenn einem hundertfünfzig Leute dabei zusehen.«
    »Du hast meinen Sohn umgebracht!« schrie Gerda Semper. »Hast ihn seelenruhig abgestochen. Aber niemand will das wahrhaben, keiner von diesen Presseschweinen und Polizeischweinen und diesem sogenannten Staatsanwalt, der ganz verträumt ›Ein Herz aus Schnee‹ summt und dann verkündet, ach Leutchen, keine Lust zu haben, einer Heiligen wie Claire Rubin das Leben schwerzumachen. Wo doch lupenreine Notwehr vorliege. Notwehr! Das ich nicht lache. Du hast Fred getötet. So sieht’s aus. Messer rein und aus. Obwohl du ihn am Leben hättest lassen können. Das hättest du.«
    »Gerda, bitte«, meinte Bobeck, »das ist einfach nicht der richtige Platz, so wenig wie der richtige Zeitpunkt.«
    »Ach was!?« trompetete Gerda. »Nicht der richtige Zeitpunkt. Soll ich warten, bis kein Mensch sich mehr daran erinnert, daß es überhaupt einmal einen Fred gegeben hat?«
    »Wie lieb!« höhnte die Rubin. »Spielst hier die trauernde Mutter. Dabei hättest du dem süßen Fredilein nicht mal deine Wohnungsschlüssel anvertraut. Ich weiß doch, wie du zittern mußtest, wenn dieses Herzchen auch nur nach dem Buttermesser gegriffen hat. Also sei bitte so gut und laß den Schmus. Wenn’s unbedingt sein muß, holt euch ein paar Brötchen und was zum Trinken. Und bitte, Gerda, kein Theater mehr wegen deinem Sohn. So viele falsche Tränen hat der Bursche nicht verdient.«
    »Die Brötchen kannst du dir hinschieben, wo deine Hämorrhoiden Purzelbäume schlagen.«
    »Ach, Gerdaschätzchen«, lächelte Rubin mit spitzen Zähnen, »glaubst du wirklich, es schmückt dich, ordinär zu sein? Das tut es nicht. So wenig wie dieses Kleid, das du da trägst. Ordinär sein und scheußliche Fetzen tragen ist kein Verdienst.«
    »Was ist denn ein Verdienst?« fragte Gerda Semper. »Die Kinder anderer Leute töten?«
    »So kommen wir nicht weiter«, stellte Siem Bobeck fest. »Ich sagte schon, das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wir müssen diese Diskussion verschieben. Und es täte mir wirklich leid, wenn ich darum die Polizei rufen müßte.«
    »Die Polizei ist schon da«, erklärte Gerda. » Wir sind die Polizei. Wir werden das hier und jetzt aufklären, warum der Fred hat sterben müssen. Ich bin schon lange keine Bobeck mehr, sondern eine Semper. Und wir Sempers haben beschlossen, Claire den Prozeß zu machen. Wenn der gute Staat meint, die Hände in den Schoß legen zu müssen, werden wir das erledigen.«
    Die Erwähnung eines tatenlosen Staates stellte offensichtlich ein Signal dar, denn nicht nur, daß Harald Semper und seine Söhne nun Pistolen unter ihren Jacken hervorholten, um sie für jeden sichtbar in die Höhe zu halten, traten aus den verschiedenen Zugängen, die zum Saal führten, weitere Personen auf, ebenfalls bewaffnet, Pumpguns gleich kurzen Angelruten vor sich herhaltend. Zwei von ihnen kamen aus dem Büfett-Raum und trieben die Servierkräfte in den Saal. Es waren insgesamt sechs Leute, von denen Reisiger vier zu erkennen meinte. Es schienen dieselben zu sein, die zu Fred Sempers Gang gehört hatten, nur, daß sie jetzt nicht in ihren unförmigen Lederjacken steckten, sondern schwarze Anzüge trugen. Ihr Auftritt war übrigens in keiner Weise martialisch zu nennen, sie schrieen nicht herum, drohten nicht mit dem Erschießen, sondern verhielten sich sehr geschäftsmäßig, ohne gleich an Mafia-Typen zu erinnern. Selbst ihre Breitbeinigkeit hielt sich in Grenzen. Sie wirkten schlichtweg sicher, ja geborgen in der eigenen Situation, die ja auch sehr viel eher zur Geborgenheit Anlaß gab, als dies für die Gäste der Fall war, welche enger zusammenrückten, jeder naturgemäß bemüht, hinter einem anderen zu stehen zu kommen. Daraus ergab sich eine beträchtliche Unruhe und eine Bewegung wie bei einem hektischem Gesellschaftsspiel.
    Es war Harald Semper, der mit kräftiger Stimme

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