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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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der Glaubwürdigkeit. Einfach darum, da die antelefonierten Beamten das beträchtliche Stimmengewirr im Hintergrund vernahmen und nachfragten, was dies zu bedeuten habe. Und dann eben eine Erklärung serviert bekamen, die ihnen als schlechter Scherz erscheinen mußte. Ja, es geschah – und dies darf niemandem zum Vorwurf gemacht werden –, daß eine ganze Weile lang keines dieser Telefonate zu der Konsequenz führte, irgendwelche Überfallkommandos in Bewegung zu setzen. Selbst Pfarrer Marzell, der mit der nächstgelegenen Gendarmerie in Kontakt trat, wurde nicht für ernst genommen. Und zwar dahingehend nicht, daß der Gendarm vermutete, jemand würde mit verstellter Stimme bloß vorgeben, Pfarrer Marzell zu sein und rufe aus einem der an Samstagen üblicherweise gut besuchten Wirtshäuser oder Diskotheken an. Selbstverständlich verfügte der Beamte über ein Display, der die Handynummer des Geistlichen anzeigte. Aber diese Nummer war für ihn eine beliebige. Weshalb er sich damit begnügte, in einem pädagogenhaften Ton zu erklären, für solche Scherze nicht aufgelegt zu sein und große Lust zu haben (was eine Lüge war), die wirkliche Identität des Anrufers feststellen zu lassen.
    »Tun Sie das doch! Genau das, in Gottesnamen!« forderte Marzell und legte auf. Er war der erste, der den Akt tatsächlicher Telefonbemühungen beendete und sich sodann nur noch das Gehäuse ans Ohr hielt, um in eine unbequeme Nachdenklichkeit zu verfallen. Die Situation störte ihn ganz entschieden. Nicht, weil er um sein eigenes Leben fürchtete. Er fürchtete um das Leben Siem Bobecks, er fürchtete um weitere großzügige Spenden, die ein toter Bobeck nicht würde vornehmen können. Beinahe hätte Marzell ausgerufen: Nehmt doch Fiedler!
    Mit viel größerer Berechtigung hätte er natürlich sagen können: Nehmt doch Reisiger! Und so sah es wohl auch Reisiger selbst, welcher bemüht war, sein Gesicht vor den Blicken der Hooligans zu verbergen, indem er seinen Kopf hinter jenem Marzells positioniert hatte und dabei zu Boden blickte. Denn schließlich war er, Reisiger, es gewesen, der den Tod Fred Sempers erst verursacht hatte. Zumindest war dies der Anschein. Zumindest konnte man es so sehen.
    Ungünstig nur, daß Reisiger zu den wenigen gehörte, die hier über kein Handy verfügten. Er war seit jeher ein Feind dieser Gerätschaften gewesen. Er fand, es sah lächerlich aus. Die Form der Handys erinnerte ihn an die schachtelförmigen Taschenlampen seiner Jugend, sodaß ihm vorkam, all diese Handybenutzer würden sich sinnloserweise in ihre Gehörgänge hineinleuchten.
    Seine Entscheidung gegen ein Handy war somit eine ästhetische gewesen und verwies auf einen gewissen Snobismus Reisigers, der sicher kein großer Snob war, aber wenigstens ein kleiner, eher unauffälliger. Doch in diesem Moment des Massentelefonierens stellte seine Abstinenz durchaus eine Auffälligkeit dar, wenngleich bei hundertfünfzig Personen so manches Detail unterging. Um dieses Untergehen noch zu verstärken, hielt sich Reisiger seine flache Hand ans Ohr und bewegte hin und wieder mal seine Lippen. Das war ohnehin das einzige, was man hier tun konnte und tun durfte.
    »Hey!«
    Reisiger wußte sofort, daß er Pech gehabt hatte. Schließlich stand er viel zu nahe am Rand der Menschenmenge, in dessen Inneres vorzudringen nicht mehr möglich gewesen war. Auch hatte sich Marzell unvermutet zur Seite gedreht, sodaß Reisiger aus dessen Schatten gefallen war. Einer von den Hooligans hatte Reisiger erkannt. Jener sogenannte Dorftrottel, der jetzt mit raschen Schritten näherkam, seine Waffe von der Schulter nahm, gerade nach vorn richtete und mit der freien Hand auf Reisiger zeigte: »Das ist doch der Freak, der auf Fred los ist.«
    »Also Moment«, wehrte sich Reisiger, »wer ist da auf wen losgegangen? Wer hat mit Messern gespielt?«
    »Schnauze, du Schwein. Komm her da. Oder muß ich dich rausschießen.«
    »Gehen Sie schon!« rief jemand, der verirrte Kugeln fürchtete.
    Pfarrer Marzell hingegen, schon ein wenig kardinalsmäßig, vollzog mit der Hand eine dämpfende Geste, die bedeutete: Gute Leutchen, reißt euch doch bitte zusammen. Dann wandte er sich an den Hooligan und fragte: »Stört es Sie, wenn ich Herrn Reisiger begleite?«
    »Wie meinen Sie das?« fragte der Junge.
    »Sie brauchen nicht glauben, ich werfe mich vor ihn, wenn Sie auf ihn schießen. Aber das haben Sie ja ohnehin nicht vor, oder?«
    Der Dorftrottel erklärte, Reisiger zu den Sempers

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