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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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richtete sich ein wenig auf. Immerhin hob er nicht die Hand, um zu schwören. Er sagte: »Ich weiß nicht. Natürlich fand ich es merkwürdig. Aber man sagte mir, es sei ein Zufall gewesen. Und warum auch nicht? Diese Jungs … diese Fußballfans waren auf dem Weg zu einem Auslandsspiel, nicht wahr?«
    »Das mit dem Spiel ist richtig«, bestätigte Gerda Semper. »Sie waren mit dem Wagen unterwegs, die Buben. Aber wenn Sie sich die Karte ansehen, dann sehen Sie, daß der Fred einen Umweg gefahren ist. Einen Umweg, nur um in aller Herrgottsfrühe durch die Straße von so einem Nobelort zu spazieren. Er hat Nobelorte gehaßt wie die Pest. Wozu also der Umweg?«
    »Er ist einen Porsche gefahren, dein kleiner verhaltensgestörter Liebling«, warf Claire Rubin ein.
    »Na und?«
    »Fred war doch ständig auf Krawall aus«, fuhr Bobeck dazwischen, »Schlägereien mit anderen Fans, Schlägereien mit Typen, deren Visagen ihm nicht gefallen haben. Oder die einfach nur im Weg standen. Warum also nicht in einen Nobelort fahren und Stunk mit Leuten anfangen, die man wie die Pest haßt? Und da trifft er auf Claire und Mona und denkt sich, daß es an der Zeit ist, der Frau von seinem Onkel eine zu verpassen. Das hatte er sich wohl schon lange vorgenommen. Eine fixe Idee, psychologisch alles andere als unverständlich. Dumm nur, daß ein gewisser Herr Reisiger des Weges kommt, sich einmischt, den Buben die Zähne zeigt. Und anstatt daß die Buben endlich zur Vernunft kommen, tun sie alles, damit die Sache eskaliert. So ist das gelaufen, nicht anders.«
    »Mona! Richtig!« erinnerte sich Gerda Semper. »Was ist mit deiner Busenfreundin, Claire? Wo ist diese Mona?«
    Claire Rubin fuhr sich durchs Haar wie in einem dieser Werbespots, in denen Damenfinger in der Art von Haifischflossen eine Oberfläche spalten, und erklärte: »Pech gehabt, Gerdaschätzchen. Mona wirst du nicht deinem lächerlichen Tribunal aussetzen können. Die ist gestern nach Portugal geflogen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Nicht Gerda hatte gesprochen. Auch kein anderer Semper. Sondern Leo Reisiger. Der Einwand war ihm herausgerutscht. Denn es entsprach keineswegs seiner Intention, weitere Unruhe zu schaffen. An Unruhe mangelte es wirklich nicht. Aber gesagt war gesagt. Ein jeder blickte ihn an, wartete. Er schwieg, doch sein Schweigen war ein Loch, das nach einer Einlochung schrie. Nach einem Ball also.
    »Los! Reden Sie!« forderte Gerda Semper. »Was meinen Sie damit, daß Sie das nicht glauben.«
    Was sollte er tun? Er mußte antworten. »Ich habe sie heute gesehen, diese Frau, diese Mona.«
    »Unmöglich«, erklärte die Rubin.
    »Natürlich kann ich mich täuschen. Mein Personengedächtnis ist nicht gerade das beste.«
    Niemand konnte ahnen, daß das noch untertrieben war. Dennoch beharrte Reisiger jetzt auf seinem Eindruck, er sei bei einem Spaziergang durch den Wald, am Eingang zur Sternwarte, einer Frau begegnet, die ihn an jene Freundin Claire Rubins erinnert habe.
    »Ich habe sie nur kurz gesehen«, gestand Reisiger. »Sie schien wenig Lust zu haben, sich mit mir zu unterhalten.«
    »So ein Blödsinn«, erregte sich Claire Rubin. »Mona ist in Portugal. Was soll das, Herr Reisiger? Wollen Sie sich wichtig machen? So wie Sie sich schon einmal wichtig gemacht haben?«
    Es reichte Reisiger. War er denn das Rotztuch für diese Leute? Er fuhr die Rubin an, sie sei es doch gewesen, die sich in der dramatischsten Weise in den Vordergrund gespielt habe. Niemand hätte von ihr verlangt, daß sie gleich einen Menschen töte. Die Sache stinke.
    »Nächstes Mal«, drohte die Rubin, »werde ich bequem zusehen, wenn einer von diesen freundlichen jungen Männern Sie aufschlitzt.«
    »Danke«, sagte Reisiger, wandte sich nun an Bobeck und fragte ihn, ob auch er der Überzeugung sei, diese Mona halte sich in Portugal auf.
    »Warum sollte ich etwas anderes annehmen?«
    »Die Frau, die ich sah, kam gerade aus der Sternwarte. Die Sternwarte ist ja wohl Ihr Revier.«
    »Wie Sie bemerkt haben müssen, Herr Reisiger, kommen wir hier ohne Zäune und Verbotsschilder aus. Jeder kann in dieses Wäldchen gelangen. Jeder Wanderer. Jeder Verirrte. Und jeder verirrte Wanderer.«
    »Soll ich Ihnen glauben, daß Sie Ihre Sternwarte nicht abschließen?«
    »Das habe ich damit nicht gesagt. Natürlich wird sie versperrt. Und war dies auch den ganzen heutigen Tag. Darauf achten die Gärtner. Ich würde also sagen, Herr Reisiger, Sie haben phantasiert. Das kommt vor. Es ist diese viel zu

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