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Der Umweg nach Santiago

Der Umweg nach Santiago

Titel: Der Umweg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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Flüstern eines Brunnens in der Alhambra, am Grabmal der Katholischen Könige in Granada, in den übersetzten Worten jüdischer und arabischer Mystiker, in Ortsnamen und Sitten, im unmenschlichen Maß der Kathedrale von Sevilla, diesem fast verbissenen Ausdruck von Macht und Majestät, in der geschundenen Moschee von Córdoba, im reinen Oval des Palastes von Karl V ., der wie ein Eindringling in der roten Glut der Alhambra steht und mit seinermilitärischen Grandeur bewußt ein Echo jener anderen, früheren Kaiser von Rom sein will, für die Spanien eine Provinz war.
    Córdoba. Auch das ist eine Erinnerung an jene erste Reise, der eine zweite, eine dritte folgte. Jetzt, im Jahr 1960, bin ich über den Despeñaperros-Paß gekommen, wie es sich gehört, wie die Reisenden vor mir, Gautier, Châteaubriand, Brenan. Es ist Frühling, und nach dem strengen Tafelland, der Meseta, braun und verwittert, liegt nun das Land Al Andalus vor mir, das Tal des Guadalquivir, eine wogende Landschaft, in der die Olivenbäume wie Armeen in Schlachtordnung anrücken – zur Mittagszeit, wenn die Sonne das Land schlägt, scheint es, als bewegten sie sich im flirrenden Licht.
    Nach Süden und Westen fahre ich in einem alten Bus durch die Bergenge, wie um mich doch noch aufzuhalten, als dürfte der Übergang nicht zu schnell vor sich gehen. Es ist Nacht, als ich in Córdoba ankomme, und in Córdoba duften die Nächte anders, der große Parfümeur hat ein raffiniertes Spiel gespielt mit Orangenblüten, dem Rauch schwerer Zigaretten (Ideales), den Auspuffgasen der letzten Busse, dem Duft des Grases in den Parks, das gerade gesprengt worden ist. Ein ächzendes Taxi aus der Vorbürgerkriegszeit bringt mich in mein Hotel. Auch das ist alt, genauso wie der Portier und das fransige Gold seiner Epauletten. Der Raum ist hoch, kühl und weiß, innen wie außen. In der Eingangshalle stehen die größten Stühle der Welt vor einem sacht brennenden Holzfeuer. Ein verirrter alter Mann blättert im Córdobaer Boten – die einzige andere zur Verfügung stehende Lektüre sind spanische Gesetzbücher aus dem vorigen Jahrhundert. Auf der Straße ist es schwül, halbdunkel. Ich spaziere im Gemurmel der späten Menge dahin, die auf den Bürgersteigen hin und her zieht wie ein Vogelschwarm, der sich tagsüber vor der Sonne verbergen muß. Die Häuser sind weiß, und es springt weißes Licht von ihnen ab: der Mond, der den Putz entflammt hat. Vom Zufall gelenkt biege ich in diese oder jene Straße.
    Dies ist die fremdartigste Stadt Spaniens, spanischer als alle anderen,geheimnisvoll und altmodisch, kühl und weiß, eine Stadt, die viel verbirgt und flüstert. Die Straßen winden sich zu einer Schleife, hinter Gittern sehe ich Patios mit Palmen und Gummibäumen, dort brennt gelbes Licht, und Stimmen von Menschen reden und lachen. Eine Terrasse mit Schaukelstühlen, auf denen drei weißgekleidete Mädchen und ihre schwarzgekleidete Mutter aufeinander zuschaukeln und sich mit ihren Fächern Luft zufächeln. Ein Platz mit einem tot dahängenden Christus zwischen gewundenen Lampen, die ihn grausam beleuchten: Der ganze Platz scheint zu schreien, und jeder der seltenen Passanten tickt wie eine Uhr mit seinen Schritten.
    Später kommt das Zentrum, ein großer fröhlicher Platz mit Caféterrassen, auf dem alte blaue Autobusse ankommen und zu nie gehörten Zielen wieder auf brechen, Écija, Montilla, Andújar, Medina Azahara, und es scheint, als müsse da draußen die Wüste liegen und als sei Córdoba zwischen all dem Fernen und Leeren die Oase. Ich gehe am Fluß entlang, in der Ferne zeichnet das Mondlicht die Sierra Morena, die wie eine schwarze verliebte Kette um den Hals der Stadt liegt, ebendas Gebirge, das die Omaijaden von ihrem Palast aus sehen konnten in jenen ruhmreichen Tagen, als die Kalifen Córdoba zur geistigen Hauptstadt von Al Andalus gemacht hatten, ein synkretistischer Bienenkorb, in dem jüdische, arabische und christliche Künstler, Philosophen, Gelehrte ein und aus schwirrten.
    Am nächsten Morgen gehe ich in die Moschee. Ich trete auf gut Glück durch irgendein Tor ein und komme auf einen herrlichen Innenhof mit Orangenbäumen und Palmen. »Schau«, flüstert der Reiseführer verbissen, »wie schön dieser Innenhof ist und zugleich doch so schlicht. Dieser magische Charme rührt allein von der Natur her, ohne Kunstmittel. Dies ist ein Garten, gebildet aus den einzigartigen Elementen Wasser und Licht, Stein und Schatten. Die ruhige Pracht eines

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