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Der Umweg

Der Umweg

Titel: Der Umweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Gespräch mit seinem Maklerfreund, versichert ihm lachend, daß die Frau ausziehen wird, erzählt ihm auch, daß er sie betatscht hat, ihren glorious ass , und daß sie nur allzugern auf seine Avancen einging, eigentlich schade, daß sie weggeht und niemand weiß, wohin; seltsamerweise wird überhaupt nicht geschnitten, gewaschen oder gefönt, alle sitzen, reden und rauchen, regelmäßig fällt das Wort badger , und dann lacht die ganze Gesellschaft, außer der Frau des Bäckers und dem Hund, Hunde lachen nicht, und dieser scheint sich immer mehr verkriechen zu wollen, weg von den Menschen; an der Tür stehen Plastikkisten mit großen Fleischbrocken, wäßriges Blut sickert in dünnen Rinnsalen auf den Steinfußboden; Shirley fragt den Schafzüchter, wie es seinem Sohn geht, was der im Augenblick treibt, der Schafzüchter wird blaß, pfeift seinen Hund unterm Zeitschriftentisch hervor und rutscht an der Tür beinah in der Blutpfütze aus, die sich dort gebildet hat, der Hund leckt das Blut auf. » Enjoy your lamb «, sagt er noch, bevor er die Tür hinter sich zuknallt. »Emily«, sagt jetzt jemand im Friseurladen. »Emily.« Ihr ist nicht klar, wer es sagt. Der Hausarzt macht ein Gesicht, als hätte man ihn bei etwas ertappt, fragt wie ein schlechter Schauspieler, von wem sie sprechen.
    Bradwen stand neben dem Sofa. »Das Essen ist fertig«, sagte er, vielleicht schon zum zweiten Mal.
    Im Fernsehen lief ein Fragespiel mit einem Team aus Quiz-Assen, eggheads nannte man die hier. Eierköpfe. Eher eine Bezeichnung für Intellektuelle. Für Leute, die Arbeiten über jemanden wie Emily Dickinson schreiben.
53
    Der Junge hatte neue Kerzen in die Ständer auf der Fensterbank gestellt. Auch auf dem Tisch brannte eine Kerze. Der Gedichtband lag neben ihrem Teller, geschlossen. Auf dem Teller wieder haddock , mit Apfelmus und Fenchel. Essen ohne Farbe.
    Sie setzte sich, schaute ihn an. Dachte daran, wie er vor anderthalb Stunden für sie gearbeitet hatte, an seine beinahe unterwürfige Art. Wie er die Erde festgestampft und Wasser darauf gegossen hatte. »Weshalb bist du nicht weggegangen?« fragte sie.
    »Wer soll denn dann kochen?«
    »Ich kann selbst kochen.«
    »Wer hätte die Rosen einpflanzen sollen? Wer kauft ein? Wer sorgt dafür, daß der Ofen brennt?«
    »Warum?«
    Der Junge schaute sie an. Die Mütze stand ihm sehr gut, sogar am Eßtisch.
    »Hast du den Topf schon reingeholt?«
    »Nein«, sagte er.
    »Warum?« fragte sie noch einmal.
    »Stelle ich dir Fragen?« entgegnete er. »Schau lieber mal unter den Weihnachtsbaum.«
    Sie drehte den Kopf. Ein Päckchen. Bevor sie aufstand, um es sich zu holen, trank sie noch einen tüchtigen Schluck Wein. Einen Augenblick blieb sie mit Bradwens Geschenk in der Hand beim Weihnachtsbaum stehen.
    »Socken«, sagte sie leise.
    Der Junge kicherte. »Die Frau weiß nicht, wovon sie redet.«
    Sie riß das Papier ab. Er hatte für sie auch einfach eine Mütze gekauft. Eine unglaublich häßliche Mütze, violett mit aufgenähten Blümchen in verschiedenen Farben, die fast alle nicht zur Grundfarbe paßten. Eine Hippiemütze, sogar mit einem Bändel rechts und links. Sie schluckte und war froh, daß sie ihm halb den Rücken zuwandte. Schluckte noch einmal, bevor sie die Mütze anprobierte. Sie saß perfekt. »Genau so etwas habe ich gebraucht«, sagte sie, drehte sich um und kehrte an den Tisch zurück.
    Bradwen sah sie zufrieden an und aß.
    Sie trank und stocherte in dem Fisch herum.
    »Was ist eigentlich mit dieser Dickinson?« fragte er und zeigte mit dem Schöpflöffel voll Apfelmus auf den Gedichtband.
    »Ja. Das wollte ich dich auch fragen.«
    »Wie meinst du?«
    »Warum drehst du ihr Bild immer wieder um?«
    »Dieser stechende Blick.«
    »Ist doch nur ein Foto.«
    »Trotzdem. She gives me the creeps . Und was hast du mit ihr zu tun?«
    »Ich habe mich beruflich mit ihr beschäftigt.«
    Der Junge kaute. »Hm.«
    »Sie hatte auch einen Hund.«
    »So?«
    »Ja. Carla.« Sie drückte mit Daumen und Zeigefinger ihre Lippen rund. Das Tier hieß Carlo, der Name hatte sich in ihr Gedächtnis eingegraben, in Habeggers Biographie wurde der Hund nur viermal kurz erwähnt, und auch darüber hatte sie sich beim Lesen aufgeregt; ein Neufundländer war es, ein haariges Riesenvieh, sie hatte noch ein Bild von ihm aufgestöbert, und er hieß Carlo. Eine ängstliche, zarte Frau, deren einziger Freund ein großer Hund war, und diesen Habegger interessierte das nicht. Nach dem Runddrücken ihrer

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