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Der unausweichliche Tag - Roman

Der unausweichliche Tag - Roman

Titel: Der unausweichliche Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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und unförmig, mit Leinentüchern abgedeckt, halb getarnt mit allerlei alten landwirtschaftlichen Utensilien, Paletten, Kisten, Zementsäcken und kaputten Haushaltsgeräten, die obendrauf gestapelt waren.
    »Was ist das ?«, sagte Aramon. »Wie ist das hier hingekommen?«
    Audrun sah ihn verständnislos an.
    »Da!«, schrie Aramon. »Da! Bist du blind?«
    Er machte ein paar Schritte nach vorn und hob die Tücher ein wenig an, so dass Audrun erkennen konnte, was darunter war. Es war ein Auto.
    Schweigend trat sie näher heran. Aramon sah, wie sie die Hand ausstreckte, als wollte sie das Metall der Motorhaube berühren, aber dann zog sie sie zurück. Sie drehte sich zu Aramon um und fragte: »Wessen Auto ist das?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich weiß es nicht …« Doch dann begann er zu schluchzen. »Ich weiß nicht, wie es da hingekommen ist, Audrun. Das schwöre ich. Und ich schwöre bei meinem Leben, dass ich niemandem etwas zuleide getan habe …«
    »Was meinst du damit?«, fragte Audrun. »Was redest du da?«
    Er brach in zornige Tränen aus. Er näherte sich ihr, und es war, als bitte er sie, ihn zu umarmen und zu trösten, aber sie wich zurück und fragte ihn: »Sag mir, was du getan hast.«
    »Ich weiß es nicht!«, schluchzte er. »Ich habe manchmal Aussetzer. Bin kurz ohnmächtig und wache an ganz anderen Orten auf. Ich schwöre, ich sehe dieses Auto hier zum ersten Mal, aber es könnte doch seins sein, oder? Wie soll ich das wissen. Ich habe sein verdammtes Auto nie gesehen! Ich dachte, sie wären im Wagen der Maklerinnen gekommen. Stimmt doch, oder?«
    »Beim ersten Mal, ja«, sagte Audrun. »Die Maklerin brachte ihn beim ersten Mal her, aber dann, beim zweiten Mal, wer weiß …«
    »Wie kann ein Auto in meine Scheune kommen? Herrgott noch mal! Ich werde wahnsinnig. Du musst mir helfen, Audrun. Du musst mir einfach helfen!«
    Aus der Tasche ihrer Kittelschürze zog Audrun ein Taschentuch (eines, das Bernadette gehört hatte) und reichte es Aramon. Er vergrub sein Gesicht darin.
    »Wahrscheinlich hast du ihn umgebracht«, sagte Audrun. »Du hast einen deiner Wutanfälle bekommen und den Ausländer umgebracht, weil er das Mas nicht kaufen wollte. Genauso wie du damals die Hure in Alès getötet hast.«
    »Nein!«, schluchzte Aramon. »Wieso sollte ich? Ich sah ihn nur dieses eine Mal …
    »Du weißt, dass das nicht die Wahrheit ist«, sagte Audrun.
    »Es ist die Wahrheit! Ich habe die Besson angerufen. Sie hat es bestätigt. Sie sagte, er ist nur einmal hergekommen.«
    »Einmal mit ihr. Und dann das zweite Mal … allein. Ich habe dich mit ihm gesehen.«
    »Nein! Er ist nicht wiedergekommen. Das wüsste ich doch. Heilige Jungfrau Maria, das wüsste ich doch!«
    Sie ließ ihn weinen. Sie ging mutig zu dem Auto und deckte es noch weiter ab, und beide sahen, dass die Karosserie des Wagens schwarz war.
    »Gott möge dir vergeben, Aramon«, sagte sie. »Du hast diesen armen Mann getötet. Du hast ihn erschossen und versucht, das Auto unter all diesem Müll zu verstecken.«
    »Nein«, schluchzte er. »Nein!«
    Aramon sackte zusammen. Er ließ sich einfach fallen, lag im Dreck des Scheunenbodens und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Er strampelte mit den Beinen wie ein Baby, das zu krabbeln versucht.
    Audrun stand über ihm und sagte: »Ist die Leiche da drinnen?«
    »Ich weiß es nicht …«, jammerte er. »Mach, dass es verschwindet! Sag mir, dass es nicht wahr ist! Mach, dass es weggeht!«
    Sie zog das Tuch von den Wagenfenstern, entfernte ein Holzsieb und einen Turm aus verfärbten Tupperwarebehältern. Sie spähte ins Wageninnere, aber es war zu dunkel, um etwas zu erkennen.
    »Wir sollten lieber die Polizei holen«, sagte sie.
    Da begann er, krampfartig zu zucken, setzte sich mitten im Dreck auf und flehte sie an, flehte sie bei der Seele ihrer Mutter an, das nicht zu tun.
    »Das müssen wir aber«, sagte sie. »Was sollen wir denn sonst tun?«
    »Ich werde es wegschaffen«, schluchzte er. »Ich kenne Plätze in den Bergen. Ich werde es einen Felsen hinunterstoßen. Ich werde das nachts machen. Bitte, Audrun. Bitte …«
    Sie hörte nicht hin und versuchte weiter, durch das Wagenfenster zu schauen, und hielt sich, gegen das blendende Licht der Taschenlampe, die Hand über die Augen.
    »Mach die Lampe aus, Aramon«, sagte sie scharf.
    Er tastete nach der Taschenlampe, nahm sie und ließ sie fallen, und sie ging aus, und jetzt umfing die beiden die vollkommene Dunkelheit der Scheune. Audrun

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