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Der Unbesiegbare

Der Unbesiegbare

Titel: Der Unbesiegbare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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gesehen, wie der aussah, den wir in der kleinen Navigationskajüte gefunden haben?« fragte Blank. »Ich habe ihn gekannt … Doch ich hätte ihn nicht wiedererkannt, wenn er nicht wie immer einen Siegelring getragen hätte.«
    Keiner antwortete. In der Basis begab sich Rohan unverzüglich zu Horpach. Der wußte schon Bescheid durch die Fernsehübertragung und die Berichte der Gruppe, die früher zurückgekommen war und einige hundert Fotos mitgebracht hatte. Rohan fühlte sich unwillkürlich erleichtert, daß er dem Kommandanten nicht zu schildern brauchte, was er gesehen hatte.
    Der Astrogator musterte ihn aufmerksam und stand vom Tisch auf, wo eine von Fotokopien bedeckte Geländekarte lag. Sie waren allein in der großen Navigationskajüte.
    »Nehmen Sie sich zusammen, Rohan«, sagte er. »Ich verstehe, wie Ihnen zumute ist, aber wir brauchen vor allem Vernunft. Und Beherrschung. Wir müssen dieser verrückten Geschichte auf den Grund kommen.«
    »Sie verfügten über alle Schutzvorrichtungen: Energoboter, Lasergeräte und Teilchenwerfer. Der große Antimat steht unmittelbar bei dem Raumschiff. Alles, was wir auch haben«, sagte Rohan mit tonloser Stimme. Er ließ sich in einen Sessel fallen. »Entschuldigen Sie.«
    Der Astrogator entnahm einem Wandschränkchen eine Flasche Kognak.
    »Ein altes Hausmittel, manchmal kann man’s gebrauchen. Trinken Sie, Rohan. Das hat man früher angewandt, auf den Schlachtfeldern …«
    Schweigend schluckte Rohan die scharfe Flüssigkeit hinunter.
    »Ich habe die Zähler aller Energieaggregate überprüft«,sagte er in vorwurfsvollem Ton. »Die Besatzung ist keinesfalls angegriffen worden. Sie haben nicht einmal einen Schuß abgefeuert. Sie sind einfach, einfach …«
    »Verrückt geworden«, half der Astrogator gelassen nach.
    »Wenn wir doch wenigstens das genau wüßten! Aber wie wäre das möglich gewesen?«
    »Haben Sie das Bordbuch gesehen?«
    »Nein. Gaarb hatte es mitgenommen. Haben Sie es hier?«
    »Ja. Nach dem Landedatum gibt es nur vier Eintragungen. Sie betreffen die Ruinen, die Sie untersucht haben, und … die Fliegen.«
    »Was für Fliegen?«
    »Das weiß ich nicht. Wörtlich heißt es dort …«
    Er nahm das aufgeschlagene Buch vom Tisch.
    »›Keinerlei Lebenszeichen an Land. Zusammensetzung der Atmosphäre …‹ Das sind die Analysenergebnisse. Aber hier, sehen Sie: ›Um 18 Uhr 40 geriet die zweite Raupenpatrouille auf dem Rückweg von den Ruinen in einen örtlichen Sandsturm mit starker Aktivität atmosphärischer Entladungen. Trotz Störungen Funkverbindung hergestellt. Die Patrouille meldet eine erhebliche Menge winziger Fliegen am …‹«
    Der Astrogator legte das Buch beiseite.
    »Und weiter! Warum lesen Sie nicht zu Ende?«
    »Das ist ja das Ende. Hier bricht die letzte Eintragung ab.«
    »Weiter steht da nichts?«
    »Den Rest sehen Sie sich am besten selbst an.«
    Er schob Rohan das Buch hinüber. Das Blatt war mit unleserlichen Krakeln bedeckt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Rohan das Liniengewirr an.
    »Das hier sieht aus wie ein B«, sagte er leise.
    »Ja. Und das hier wie ein G. Ein großes G. Als hätte ein kleines Kind es geschrieben. Meinen Sie nicht auch?«
    Rohan schwieg, das leere Glas in der Hand, das wegzustellen er vergessen hatte. Er dachte an die Ambitionen, die er noch kurz zuvor gehabt hatte, an seinen Traum, selbst Kommandant des »Unbesiegbaren« zu sein. Nun war er dankbar, daß er nicht über das weitere Schicksal der Expedition zu entscheiden hatte.
    »Bitte, rufen Sie die Leiter der Spezialistengruppen zusammen. Rohan, wachen Sie auf!«
    »Verzeihen Sie. Eine Beratung, Astrogator?«
    »Ja. Alle sollen in die Bibliothek kommen.«
    Eine Viertelstunde später saßen Sie bereits in dem großen, quadratischen Saal, hinter dessen bunt emaillierten Wänden Bücher und Mikrofilme untergebracht waren. Am wenigsten erträglich war wohl die unheimliche Ähnlichkeit zwischen den Räumen im »Kondor« und im »Unbesiegbaren«. Es waren ja Schwesterschiffe. Aber Rohan vermochte nicht – gleichzeitig, in welche Ecke er blickte –, die Bilder des Wahnsinns zu verdrängen, die sich ihm ins Hirn gefressen hatten.
    Jeder hatte hier seinen Stammplatz. Der Biologe, der Arzt, der Planetologe, die Elektroniker und die Nachrichtentechniker, die Kybernetiker und die Physiker saßen im Halbkreis in ihren Sesseln. Diese neunzehn Männer bildeten das strategische Hirn des Raumschiffes.
    Der Astrogator stand allein unter der halb heruntergelassenen,

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