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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Parlachow dagegen schritt finster aus.
    Als sie wieder in der Stadt waren, kehrten sie in ihr Zimmer zurück.
    „Ich muss über den Vorfall berichten“, sagte sein Hüter abweisend, nachdem er sich in seinen Kleidern auf seinem Bett ausgestreckt hatte. „Verstehen Sie, was das bedeutet?“
    „Vielleicht tun Sie es nicht? Heute ist doch der Tag des Sieges!“, meinte Mark.
    Parlachow dachte in diesem Augenblick ebenfalls an den Sieg. Was würde er bringen? Das Glück eines gewöhnlichen Lebens? Dann konnte er nach Moskau zurückkehren, ins heimatliche ZK , wo ihn seine interessante Arbeit erwartete. Wenn es nur bald soweit wäre!
    Danach sah er Mark an. Nun schon ohne Ärger, eher mit Mitgefühl.
    ‚Vielleicht muss ich es wirklich nicht berichten?‘, dachte Parlachow. ‚Vielleicht hat es ja niemand gesehen?‘

Kapitel 28
    Vor dem Fenster tobte ein Maigewitter. Blitze verscheuchten die nächtliche Dunkelheit über dem kleinen Städtchen im Hinterland, das hellhörig und unruhig schlief.
    Der einsame Gasik-Jeep einer Armeepatrouille ließ das Wasser der Pfützen auf den Pflasterstraßen aufspritzen.
    Der Fahrersoldat gähnte, und gleich nach ihm gähnte jedes Mal auch der Unterleutnant, der neben ihm saß.
    „Halt an!“, befahl der Unterleutnant. „Lass uns ein wenig stehen bleiben … Falls ich einschlafe, weckst du mich in einer halben Stunde.“
    Der Unterleutnant drehte sich von seinem Fahrer fort und versuchte einzuschlafen. Doch da krachte aufs Neue ein Donnerschlag und gleich darauf bohrte sich irgendwo nicht sehr weit entfernt grell aufleuchtend ein Blitz in die Erde.
    Der Unterleutnant schlug die Augen auf und erblickte das Licht einer Kerze im Fenster des Hauses gegenüber.
    „Wanja“, sagte er, „nimm die Waffe, wir gehen hin und sehen nach. Hier kann jemand nicht schlafen.“
    Der Offizier spähte ins Fenster hinein, und der Eifer in seinen Augen erlosch sogleich: Nichts Verdächtiges war dort zu sehen. Es saß ein älterer Mann an einem Tisch im Schein der Kerze und kaute ein Stück Brot, das er vor jedem Biss in einen Salznapf stippte.
    Wieder krachte ein Donnerschlag, und nachdem er einen vorsichtigen Blick zum Himmel geworfen hatte, klopfte der Unterleutnant an das kleine Fenster.
    Der Mann hob den Kopf, er trug die Kerze dicht an die Scheibe heran, und dann nickte er.
    Knarrend öffnete sich die Tür.
    Im Zimmer bat der Mann die Soldaten, dass sie keinen Lärm machen sollten, wobei er mit der Hand auf einen Menschen wies, der auf einem Bett an der Wand lag und schlief.
    Zu dritt setzten sie sich um den Tisch. Der Mann schnitt den beiden Soldaten ein Stück Brot ab, und nun kauten sie das Brot zu dritt und tunkten es abwechselnd in den Salznapf.
    „Sie können wohl nicht schlafen?“, fragte schließlich der Unterleutnant leise.
    „Der Schlaf will einfach nicht kommen“, nickte der Mann.
    „Wie heißen Sie?“, fragte der Unterleutnant.
    „Pawel Dobrynin.“
    „Ich bin Fjodor Jegorow, und das“, der Offizier wies mit dem Kopf auf den einfachen Soldaten, „ist Schenja Soldatkin.“
    Sie aßen jeder noch ein Stück Brot, schweigend, nur mit Blick auf die brennende Kerze.
    „Halb fünf“, flüsterte der Offizier. „Wir müssen los.“
    Sie standen auf, drückten Pawel die Hand und gingen.
    Der Volkskontrolleur blies die Kerze aus, aber dann blieb er noch am Tisch sitzen.
    Das Gewitter ließ nach, es war irgendwohin ins Umland weiter gezogen. Vor dem Fenster leuchteten ferne Blitze auf, und der Donner brachte die Scheiben nun schon nicht mehr zum Klirren.
    Bald würde der Tag anbrechen, und er würde Dmitrij wecken müssen, damit sie rechtzeitig zur ersten Essensausgabe in die Arbeiterkantine der Mantelwerkstätten kämen.

    Morgens schien am reinen, wolkenlosen Himmel die Sonne. Pawel und Dmitrij waren auf ihrem Weg zur Arbeiter­kantine. Das Städtchen war bereits aufgewacht. Den Kontrolleuren kamen Frauen von der Nachtschicht entgegen, erschöpft, bereit, gleich auf der Straße umzufallen und einzuschlafen.
    Dobrynin blickte ihnen mitfühlend hinterher.
    „Weißt du“, sagte er zu seinem Gehilfen, „wäre da nicht diese Schlaflosigkeit, würde ich sagen, das ist hier Urlaub für uns, und keine Arbeit.“
    Dmitrij zuckte die Schultern und spürte im selben Augenblick einen leichten Schmerz in den Muskeln.
    „Ja“, sagte er. „Es ist natürlich etwas Anderes, als Gasmasken zu prüfen …“
    Pawel hörte aus Dmitrijs Ton deutlich heraus, dass der nicht einverstanden war, aber

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