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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Kaderabteilung, Sofrontow. Sofrontows leerer rechter Sakko­ärmel lag formlos auf seinem Knie, und der Personalleiter bat Dobrynin, ihm seinen Ärmel in die Außentasche des Sakkos zu stecken.
    „So, dann fangen wir an, Genossen!“, sagte Major Sokolow. „Erzählen Sie mal, Soja, wie Sie den Weg eingeschlagen haben, der Sie zum Schädling machte.“
    Die Matrossowa wollte etwas sagen, brach aber aufs Neue in Schluchzen aus, erbebte und schlug die Hände vors Gesicht.
    „Sie sind doch ein erwachsener Mensch, nehmen Sie sich zusammen“, sagte der Major und verzog den Mund.
    Die junge Frau beruhigte sich ein wenig und hob den furchtsamen Blick zu den Männern, die sie ansahen.
    „Machen Sie das schon lange?“, fragte Major Sokolow.
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Warum lieben Sie die Rote Armee nicht?“
    „Ich liebe die Rote Armee …“, flüsterte Soja kaum hörbar.
    Dobrynin sah sie an und verspürte keinerlei Feindseligkeit ihr gegenüber, so zart und harmlos erschien sie.
    „Aber wenn Sie die Rote Armee lieben, warum haben Sie dann Rotarmisten die Augen ausgestochen?“, ließ Major Sokolow nicht locker.
    „Er hat mich verlassen …“, brachte Soja mühsam heraus, und in ihren Augen glitzerten wieder Tränen.
    „Wer? Wann?“, fragte Sokolow ruhig weiter.
    Dobrynin lauschte seiner Stimme und bewunderte neidvoll die Ruhe und Kaltblütigkeit des Majors.
    „Mein Senja … Also Semjon …“
    „Wie ist der Nachname?“
    „Garkawyj …“, sagte Soja, und die Tränen liefen ihr nun schon über die Wangen.
    Der Major füllte ein Glas mit Wodka aus der Karaffe, brachte es ihr, wartete, bis sie einen kleinen Schluck genommen hatte, dann kehrte er an seinen Platz zurück.
    „Erzählen Sie weiter!“
    Sofrontow rutschte lebhaft auf seinem Stuhl hin und her, während er ebenfalls interessiert sowohl die Matrossowa, als auch den Major beobachtete. Von diesem Hin- und Herrutschen glitt der rechte leere Ärmel wieder aus der Sakkotasche.
    „Hör mal, Dobrynin …“, flüsterte er.
    Der Volkskontrolleur wandte sich um, erkannte sofort, worum es ging, und steckte den Ärmel wieder zurück.
    „Er hat gesagt, am zehnten heiraten wir, aber er hat nicht gesagt, dass sein Urlaub nur bis zum sechsten geht … und ist weg …“
    Wieder rollten Tränen über das hübsche Gesicht der jungen Frau.
    „Also“, versuchte ihr der Major zu helfen, „Semjon Garkawyj ist auf Urlaub gekommen … ein kurzer Urlaub?“
    „Ja.“
    „Von der Armee?“, präzisierte der Major.
    „Ja.“
    „Er ist auf kurzen Urlaub von der Armee gekommen, hat versprochen, Sie zu heiraten, Sie aber betrogen und ist wieder zurückgefahren. Richtig?“
    Soja nickte.
    „Und deshalb, weil ein Rotarmist Sie betrogen hat, haben sie begonnen, die ganze Armee zu verabscheuen, ja?“
    Soja schüttelte den Kopf.
    „Nein“, flüsterte sie. „Ich weiß nicht, was mit mir war …“
    „Haben Sie ihn geliebt?“, fragte der Major.
    Soja nickte.
    „Und jetzt, lieben Sie ihn jetzt auch?“
    Soja nickte wieder, aber mit einer kleinen Verzögerung.
    „Nun, im Großen und Ganzen ist die Sache klar.“ Major Sokolow blickte die Übrigen an. „Wie ich schon gesagt habe – persönliche Gründe.“
    „Was machen wir jetzt?“, fragte Fomitschew ein wenig nervös.
    Der Major überlegte.
    „Ich bekomme ein Kind von ihm!“, sagte plötzlich Soja und schluchzte wieder los.
    „Hm, so, ja“, bemerkte der Major.
    Dobrynin tat das Mädchen nun leid. Er erkannte, dass sie, wenn auch ein Schädling, so doch kein richtiger Feind war. Da stieg Zorn in ihm auf, Zorn auf diesen Rotarmisten, der so ein hübsches, zartes Mädchen verführt und verlassen hatte. Und Dobrynin wollte über seine Gefühle etwas sagen.
    „Ich denke“, sprach der Volkskontrolleur, „schuld ist hier dieser Semjon … er hat der Roten Armee Schande gemacht …“
    „Gleich, gleich“, hielt der Major ihn auf. „Genosse Dobrynin, ich bin im Prinzip mit Ihnen einer Meinung, aber wir müssen beschließen, was zu tun ist. Gut, Soja“, wandte sich der Major an die junge Frau. „Gehen Sie ins Wohnheim und bleiben Sie in Ihrem Zimmer. Vielleicht brauchen wir Sie noch.“
    Die junge Frau ging.
    Der Major ließ den Blick über die im Zimmer verliebenen Männer wandern. „So, wir wollen nun zu einer Entscheidung kommen. Ich sage als Erstes, was ich meine. Soja Matrossowa ist keine geborene Verbrecherin. Schaden hat sie natürlich angerichtet, und dafür muss sie sich verantworten. Aber als

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