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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Vertreter des NKWD muss ich die größtmögliche Gerechtigkeit erreichen. Deshalb schlage ich vor, dass wir folgenden Beschluss fassen: durch das Militärkommissariat wird der Bürger Garkawyj auf eine kurze Dienstreise herbestellt und dazu genötigt, das von ihm betrogene Mädchen zu heiraten. Erst anschließend werden Schuld und Bestrafung der Bürgerin Matrossowa bestimmt.“
    Dobrynin lächelte.
    „Das habe ich auch gedacht“, sagte er.
    „Einverstanden“, sagte Sofrontow.
    „Nun denn.“ Fomitschew kratzte sich am Hinterkopf. „Und bis dahin? Sie wieder ins Werk aufnehmen oder entlassen?“
    „Soll sie arbeiten“, sagte der Major. „Sie wird es nicht mehr tun, davon bin ich überzeugt.“
    Zwei Tage später reiste der Schütze Garkawyj in Begleitung eines Fähnrichs nach Sarsk an.
    Soja, die von dem Beschluss Major Sokolows nichts wusste, wurde von der Arbeit geholt und zum städtischen Standesamt geschickt. Dorthin wurde im Wagen auch Semjon Garkawyj gebracht. Als der Soldat das Zimmer für Eheschließungen betrat und dort Soja erblickte, erstarrte er und sah die junge Frau lange ohne zu blinzeln an.
    „Was hast du?“, sagte Dobrynin, der von hinten zu ihm trat und ihn an der Schulter berührte. „Hab keine Angst.“
    Im Zimmer waren nur Eingeweihte: der Fabrikdirektor, Sofrontow, Major Sokolow und Dobrynin. Dobrynin und Sokolow unterschrieben im Standesamtregister als Trauzeugen.
    Danach kehrten sie gemeinsam mit dem Soldaten Garkawyj und seinem Fähnrich zurück in die Fabrik, wo sie sich in Fomitschews Arbeitszimmer für eine Weile zusammensetzten.
    Erst jetzt erfuhr der Schütze Garkawyj, wozu sein Verrat an dem geliebten Mädchen geführt hatte. Er errötete mehrere Male, während er Major Sokolow zuhörte. Soja war da ruhiger. Die schlimmsten Minuten lagen hinter ihr, und jetzt dachte sie – schon eine verheiratete Frau, die nun den Namen ihres Mannes trug – nur an die Zukunft und an die nicht wenigen Prüfungen, die sie auf ihrem Weg zu einem normalen Familienglück noch hinter sich bringen müsste.
    „Morgen tagt das Gericht“, sagte Major Sokolow am Ende. „Zum Glück ist es ein Zivilgericht, kein Kriegsgericht. Wie auch immer die Strafe ausfallen mag, ich bitte Sie, Bürgerin und Bürger Garkawyj, reagieren Sie ruhig und vernünftig darauf. Sie beide haben noch ein langes Leben vor sich.“
    Die Verhandlung war kurz, aber gerecht. Der Schütze Garkawyj erkannte seine Schuld an und bat darum, dass man ihn an Sojas Stelle bestrafen möge. Das Gericht traf allerdings eine andere Entscheidung: als es erfuhr, dass der einfache Schütze in Grundausbildung noch vier Jahre Dienst tun musste und erst dann seine Haft hätte antreten können, verurteilte das Gericht Soja Garkawaja zu vier Jahren Haft, damit die beiden nicht noch länger aufeinander warten mussten, als es unbedingt sein musste. Viele der Anwesenden bei Gericht weinten, und besonders weinten die Frauen, als nach dem Urteilsspruch den Jungverheirateten gestattet wurde, sich zu verabschieden.
    Soja und Semjon umarmten sich lange. Und sie weinten ebenfalls. Niemand drängte sie zur Eile oder trennte sie gewaltsam voneinander, auch wenn in zwei Schritten Entfernung der Fähnrich stand, der den Schützen Garkawyj zurück zur Einheit bringen sollte, und auf der anderen Seite geduldig zwei Soldaten des NKWD und ein Fahrer auf Soja warteten.
    Nach dem Gericht, als fast alle auseinander gegangen waren, Dobrynin und Waplachow jedoch, aufgewühlt und versonnen, immer noch im Saal saßen, trat Major Sokolow zu ihnen.
    „Wissen Sie“, sagte er, „ich glaube an sie. Ich denke, in den nächsten vier Jahren werden sie vieles verstehen, und dann werden sie ein glückliches Leben haben.“
    Dobrynin schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und nickte.
    Waplachow war tief in sich selbst versunken, er dachte an ihr Gericht damals über den falschen Kommunisten Kriwizkij und daran, dass das Leben wahrhaftig besser und schöner wurde.

Kapitel 32
    In den ersten Tagen fiel es Banow schwer, sich an sein neues Leben unter dem Kreml zu gewöhnen. Eigentlich war ja alles gut. Auch das Essen reichte für zwei, für ihn und für den Kremlträumer. Er schlief mit dem Alten in der Laubhütte, doch der Alte schnarchte kräftig, und dieses Schnarchen weckte Banow jede Nacht. Dann trat Banow aus der Laubhütte, blickte zu den Sternen und dachte an Moskau. Er dachte an seine Schule, an Klara. Ihm wurde schrecklich zumute, als er erkannte, dass er auf gewisse

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