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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Tontöpfen auftreten.
    „Nicht echt!“, flüsterte Banow vor sich hin, und im nächsten Augenblick umgab ihn gleichsam vollkommene Stille.
    Erschrocken sah er sich um – die Bauern blickten ihn starr und mit großen Augen an. Banow sah nach vorn, doch der Mann in dem dicken Wollmantel und vor ihm die ganze Schlange bewegten sich bereits aus dem Raum hinaus, also hatten sie die so unachtsam ausgesprochenen Worte nicht gehört.
    „Nicht echt?“, fragte einer der Bauern flüsternd zurück, mit Blick auf den, der unter dem Glas lag.
    Banow konnte nirgendwohin ausweichen, und er war ja auch davon überzeugt, dass er Recht hatte.
    „Nein“, bekräftigte er flüsternd. „Nicht echt.“
    Die Gesichter der Bauern hellten sich auf. Das Finstere und die Anspannung verschwanden, einer von ihnen lächelte sogar.
    Banow beeilte sich, die Schlange einzuholen.
    Die Bauern blieben zurück.
    Den Mann im grauen Wollmantel erreichte er erst auf dem Pflaster des Roten Platzes wieder. Genau genommen gab es die Schlange dort schon nicht mehr, denn die Menschen, die aus dem Mausoleum kamen, wirkten nur noch auf sich selbst konzentriert, gingen langsam auseinander, zerstreuten sich allmählich. Jeder ging für sich allein und dachte an etwas Geheimes, doch vielleicht schien das auch nur so.
    Banow ging ebenfalls allein, er ging langsam, und in seinem Kopf kreisten zwei Worte: NICHT ECHT !

    ***

    Fünf Tage später brach eine trübe Morgendämmerung an. Zu der Zeit war Dobrynin und dem Urku-Jemzen das Brennholz ausgegangen und es war nur noch eine Flasche Spiritus übrig geblieben.
    Die Tage in völliger Dunkelheit waren für den Volkskontrolleur zu einer ernsten Prüfung geworden. Zuerst hatte er versucht, etwas zu tun, und hatte das verbliebene Brennholz ganz klein gespalten, weil er den alten Kienspan neu erfinden wollte; es war jedoch dabei nichts herausgekommen, die Späne verbrannten im Handumdrehen und beleuchteten weiter nichts als sich selbst. Den elektrischen Generator in Gang zu setzen hatten weder Dobrynin noch Waplachow überhaupt erst versucht. Auf dem Gebiet der Technik waren sie ganz rückständige und ungebildete Menschen, und beide verspürten eine Mischung aus Furcht und Hochachtung vor jeder Mechanik, erst recht einer solchen, die Elektrizität hervorbrachte.
    Aber nun wurde es vor dem Fenster langsam grau, die Dunkelheit zerstreute sich, und in der kalten Stille des Hauses, in der nur der von den Soldaten im Kartenspiel gewonnene Spiritus wärmte, freuten sich der Kontrolleur und der Urku-Jemze. Sie liefen beide ans Fenster.
    „So, wir haben es überlebt“, sagte Dobrynin heiser, nach einem Seufzer. „Jetzt können wir uns ja auf den Weg machen.“
    Waplachow nickte.
    „Gehen wir zu der Alten?“, fragte Dobrynin, wobei ihm gleichzeitig auch wieder einfiel, was diese alte Frau über das russische Volk gesagt hatte.
    „Das müssen wir“, sagte Waplachow irgendwann in die Stille. „Sie gibt uns Hunde.“
    „Nun gut“, sagte der Volkskontrolleur wie beruhigend zu sich selbst. Und überlegte gleich darauf, dass er der Alten im Namen des russischen Volkes etwas schenken müsste. Aber so sehr er auch nachdachte, er kam auf nichts. Er kramte in seinem Reisesack, fand dort den Stapel Lederseiten mit den alten Schriftzeichen und seine Büchlein, doch er zog nichts dort heraus, was sich als Geschenk geeignet hätte.
    „Ich schaue mal nach drüben!“, sagte Dobrynin unbestimmt und ging in das Zimmer des Funkers „Petrow“.
    Das Zimmer war halb so groß wie jenes, in dem sie beide wohnten. Auf einem besonderen Tischchen türmten sich eigenartige eiserne Apparate, die die Funkstation bildeten. Gleich rechts daneben stand eine kleine Kommode und in der Ecke ein Schränkchen. Anstelle eines Bettes lag im Zimmer eine Matratze auf dem Boden, neben der ein Ofenfass schwärzlich von ausgebrannten Kohlen schimmerte.
    ‚Bescheiden hat der Japaner gelebt!‘, dachte Dobrynin.
    Er schaute in die Kommode hinein und freute sich im nächsten Augenblick, als er verschiedene Säckchen mit Lebensmitteln entdeckte.
    „He, Dmitrij, komm einmal her!“, rief er laut, damit der Urku-Jemze im Nachbarzimmer ihn hören konnte.
    Als der Urku-Jemze ins Zimmer gekommen war und den Inhalt der kleinen Kommode begutachtet hatte, lächelte er vielsagend.
    „Was denkst du, würde die Alte sich freuen, wenn wir ihr das hier schenken?“, fragte Dobrynin.
    „Auf jeden Fall!“ Der Urku-Jemze nickte. „Jeder würde sich freuen!“
    „Ich

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