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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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ein größeres Herz. Mit einem Wort: Russen. Hiesige Jäger waren ja gleichfalls gute Menschen und konnten einem Essen und Nachtlager geben, aber das alles taten sie ohne Freude, ohne Lächeln … Dmitrij mochte Lächeln sehr gern, doch irgendwie hatte es sich so ergeben, dass nur Russen in seinem Leben breit und mit allen Zähnen lächelten. Selbst seine eigenen Leute konnten es so nicht. ‚Vielleicht, weil die Russen größere Münder haben?‘, überlegte Dmitrij.
    Die Hunde hatten den Schlitten schon auf die Hügelkuppe hinaufgezogen, und in der Senke dahinter erblickte Waplachow ein eigenartiges, langezogenes Häuschen, aus dessen Schornstein Rauch zum Himmel flog. Es war umgeben von irgendwelchen dunklen Rechtecken, als hätte man den Schnee eigens von der Erde fortgekratzt. Er sah auch noch mehr unverständliche und aus der Entfernung schlecht auszumachende Dinge: als wären heilige Pfähle in gleich­mäßigen Abständen in der Erde eingegraben, und etwas war zwischen ihnen gespannt, eine Leine vielleicht, oder aneinandergeknotete Lederstreifen.
    „Ary-arys!“, rief Dmitrij den Hunden zu, und sie liefen, so schnell sie konnten, den Hügel hinunter und auf die von Wärme erfüllte menschliche Behausung zu.
    Dobrynin indessen schlummerte weiter. Er hatte es warm und wohlig, und gern hätte er, wie in der Kindheit, den Daumen der rechten Hand in den Mund gesteckt. Doch der Urku-Jemze hatte ihn gut verschnürt, es war schwierig, mit den Händen, die er auf dem Bauch gefaltet hatte, auch nur zu wackeln.
    Nachdem der Schlitten an den Pfählen vorbeigefahren war, hielt er vor dem länglichen Häuschen. Waplachow blickte sich nach seinem schlummernden Chef um. Er stand auf, ging zu der hochgelegenen hölzernen Haustür, zählte sechs Stufen dabei, und klopfte einmal, aber kräftig, an. Während er wartete, wanderte sein Blick hinunter und ihm fiel auf, dass dieses Häuschen recht hoch über der Erde auf Pfählen stand, was den Urku-Jemzen gleichfalls wunderte.
    Die Tür ging auf, und das erstaunte, bärtige Gesicht eines etwa fünfzigjährigen Mannes erstarrte in der Öffnung.
    „Was ist da?“, schrie eine heisere Stimme drinnen im Häuschen, und dieser bärtige kräftige Mann drehte sich um und gab langsam, als glaubte er seinen eigenen Worten nicht, zur Antwort:
    „Menschen …“
    Dann blickte er wieder den Urku-Jemzen an und entdeckte den Schlitten, der unten stand.
    „Dmitrij, mach mich los!“, hörte Waplachow die Stimme des Volkskontrolleurs.
    „Ich komme schon!“, antwortete der Urku-Jemze, lief schnell hinunter und wickelte vor den Augen des Bärtigen, der immer noch in der Türöffnung stand, seinen Chef aus.
    Sie traten ein.
    Im Innern war es tatsächlich warm und gemütlich, wenngleich von einer eigenen, einer Art provisorischer Feldlagergemütlichkeit. An den hölzernen Wänden des Häuschens standen eiserne Klappbetten, auf ihnen lag eine Vielzahl alter Rentierfelle mit wirrem, verfilztem Pelz. In der Mitte gab es eine große Holzkiste mit irgendwelchen Aufschriften, mehrere kleine Kisten um sie herum, und daneben einen vier­füßigen, quadratischen Eisenofen mit drei runden Koch­platten. Anstelle einer vierten Platte war da ein Blechrohr, das durch das Dach nach draußen lief.
    Dobrynin sah auf die vier Bewohner des Häuschens, drehte sich um, schaute zu ihren Habseligkeiten, und seine Augen strahlten – in einer Ecke, auf einer eigenen Kiste, stand das metallene Gehäuse einer Funkstation, genau der gleichen, wie es sie im Zimmer des Japaners „Petrow“ gegeben hatte.
    „Setzt euch, hier an den Ofen, wärmt euch auf!“, lud der Bärtige, der ihnen die Tür geöffnet hatte, den Volkskontrolleur und seinen Gehilfen ein.
    Sie hatten sich alle bereits einander vorgestellt, und als er sich jetzt auf eine Kiste neben den Ofen setzte, wiederholte Dobrynin in Gedanken, wer wie geheißen hatte.
    Der Bärtige, der hier auch der Chef war, hieß Iwan Kalatschew. Der Mann, der hinkte und dazu noch vollkommen kahl war, hieß Pjotr Dujew; der junge Mann – wenngleich er gar nicht so jung war, nur jünger als die übrigen – war Stepan Chramow. Der vierte, rundlich und mit blonden Haaren, war Ukrainer, und sein Name war Jurij Goroschko.
    ‚Ich habe mir die Namen also gemerkt‘, beruhigte sich der Volkskontrolleur im Stillen.
    Diese Männer waren keine Soldaten, doch sie waren auch keine Jäger. Das erstaunte den Urku-Jemzen natürlich, aber er zeigte es nicht. Er versuchte nur, sich das neue Wort

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