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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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sind doch unsere Leute, Russen wie wir!“
    Waplachow wollte widersprechen, wollte sagen, dass er nicht Russe, sondern Urku-Jemze sei, und gedachte sogar das Wort mit Stolz auszusprechen, aber dann schwieg er doch. Er wollte sie nicht auf unnütze Gespräche bringen, wo nun hier ein „Aufwärmen“ bevorstand, wie der Fähnrich aus der Einheit von Oberst Iwaschtschukin es ausgedrückt hatte. Und wenngleich es Dmitrij nicht kalt war, würde er ein solches „Aufwärmen“ nicht ablehnen.
    „Nun ja, ich hatte auch schon daran gedacht …“, gestand Kalatschew. „Es war mir nur irgendwie unangenehm, es vorzuschlagen, Genosse Dobrynin ist doch Volkskontrolleur …“
    „Ach, woher denn“, winkte der Volkskontrolleur da ab. „Sind wir denn keine Menschen?“
    Chramow holte unter seiner Liege einen großen, vielleicht sechs Liter fassenden Topf mit einem Deckel hervor und stellte ihn vorsichtig auf die Tischkiste.
    Er nahm den Deckel ab, und sogleich wehte ein eigenartiger, säuerlich-bitterer Geruch durch den Raum. Offenbar begann der Inhalt des Topfes in der übermäßigen Ofenhitze zu verdampfen.
    „Wir brennen ihn aus Fleisch“, erklärte Funker Goroschko. „Sonst haben wir nichts. Aber es funktioniert. Der Geschmack ist natürlich … nicht so ganz …“
    Chramow füllte die Tassen.
    „Trinken wir auf unsere Heimat!“, schlug der Leiter der Expedition vor. „Trotz allem, wenn sie nicht wäre … wenn die Oktoberrevolution nicht gewesen wäre, würde ich, wie mein Vater und mein Großvater, als Bauernknecht durchs Leben gehen!“
    Der Selbstgebrannte aus Fleisch war recht warm. Aber er trank sich leicht, und schon war seine angenehme Wärme in den Beinen angekommen. Waplachow war gleich rot geworden und lächelte nun grundlos. Dann rieb er sich die Hände und fragte an den neben ihm sitzenden Dujew gewandt: „Leben denn viele Russen in solchen Häuschen?“
    Dujew dachte nach und ließ den Blick über das Innere ihres Wagens wandern. Dann antwortete er: „Viele … vielleicht eine Million, vielleicht mehr.“
    Dobrynin kratzte sich den Hinterkopf, dann seinen schütteren Bart, und wieder hätte er Kalatschew gern gefragt, womit ihre Expedition sich denn nun beschäftigte; wenn das nun aber ein Staatsgeheimnis war … und doch, er hätte es so gern erfahren, die Neugier setzte ihm zu …
    ‚Das vorhin war irgendwie unschön‘, dachte Kalatschew, als er ausgetrunken hatte. ‚Ob er jetzt wohl gekränkt ist? Was soll denn das auch – Russen überprüfen die Papiere von Russen?! Wenn er ein Jakute wäre, dann wäre die Sache klar – zeig deinen Ausweis, aber so …‘
    „Warum steht denn euer Häuschen auf Füßen?“, fragte Dmitrij Waplachow.
    „Damit es nicht eingeschneit wird. Wir haben hier oft Schneesturm, und wenn es nicht auf Pfosten stünde, würde es bis zum Dach zugeweht, aber so geht der Schnee nur bis zur obersten Stufe …“
    Waplachow nickte und dachte ein weiteres Mal, dass sie sich das klug ausgedacht hatten!
    „Kann ich den Hunden ein wenig Fleisch hinausbringen?“, fragte Dobrynin und blickte den Leiter der Expedition an.
    „Ja, da im Eimer ist noch etwas, und es ist noch warm …“, antwortete Kalatschew. „Die Hunde mögen Warmes!“
    Dobrynin schlüpfte wieder in seinen Pelz. Er zog sich die Fellmütze mit den Klappen über die Ohren und die Fäustlinge an, nahm den Eimer und trat hinaus.
    Die Hunde lagen ruhig und friedlich im Schnee, als würden sie gleichsam alles hinnehmen: dass es kalt war genauso wie dass es nichts zu fressen gab.
    „So, jetzt geb ich euch gleich was …“, sagte der Volkskontrolleur und lächelte. „Ein bisschen Fleisch …“
    Zuerst knirschte die hölzerne Treppe unter seinen Füßen, dann der Schnee.
    Er kauerte sich vor den Leithund des Gespanns.
    „Da, nimm ein Stückchen!“ Es war kein Stückchen, sondern eher ein großer Klumpen von dunklem, noch warmem Fleisch, den er vor den Hund in den Schnee legte.
    Da wurde der Hund lebendig, packte mit den Zähnen das Fleisch und begann zu kauen.
    „Ich hatte auch einen Hund“, bemerkte Dobrynin, während er versonnen dem kauenden Hund zusah. „Der hieß Mitka, er war auch ein Großer, Starker, Lauter. Er ist gestorben. Jetzt sind noch meine Frau und die Kinder übrig … Weit weg.“
    Die anderen Hunde, so schien es, hörten dem Volkskontrolleur ebenfalls zu. Sie wackelten mit den Ohren und blickten mal auf ihren Fleisch fressenden Anführer, mal auf den Menschen, der vor ihm auf den Fersen

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