Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
kauerte.
    „Und so bin ich nun hier her geraten …“, sagte Dobrynin und im nächsten Augenblick dachte er: ‚Na bin ich denn betrunken, wieso spreche ich mit den Hunden?‘ Aber dann winkte er in Gedanken ab, sah in die klugen Augen des großen, starken Hundes und redete mit Kummer in der Stimme weiter: „Und so vergeht das Leben … so viel möchte ich gern für unsere Heimat tun, aber ich schaffe es nicht … Weil die Heimat riesengroß ist, und von hier kommt man nicht gleich wieder weg. Weißt du, vielleicht kommt erst in zwei Monaten ein Zug, wenn sie die Schienen gelegt haben … Das heißt, zwei Monate lang kann ich der Heimat gar nicht nützen. Die Heimat hofft auf mich, die Heimat vertraut mir … Meiner Manja haben sie für den toten Mitka einen anderen Hund versprochen … Aber Mitka …“ Es zwickte Dobrynin in den Augen, als ihm in der Kälte die Tränen kamen. „Aber Mitka …“, wiederholte er traurig.
    In dem Eimer lagen noch vier große Fleischstücke. Ein Messer hatte der Volkskontrolleur nicht, das hieß, er konnte das Fleisch nicht so verteilen, dass jeder Hund seine eigene Portion bekam. Da ging er hin und warf die Stücke so, dass je eines zwischen zwei Hunde fiel. Und das Erstaunliche war: Die Hunde sprangen nicht auf, stürzten sich nicht gierig auf das Fleisch, begannen nicht zu knurren und böse darum zu kämpfen. Je zwei von ihnen hieben ruhig und sogar freundschaftlich die Schnauzen in ein Stück, rissen ab, so viel sich löste, und kauten, ohne dabei einen Laut von sich zu geben.
    Die Wärme aus dem Fleisch-Selbstgebrannten, die die Bewegungen von Armen und Beinen plump und schlaff machte, war in seinem Kopf angekommen. Aber das hinderte Dobrynin nicht daran, anzuerkennen, um wie Vieles klüger diese Hunde waren, als die Köter aus seinem fernen Dorf. Die hätten sich auf der Stelle in ein blutiges Gerangel gestürzt, und am Ende wäre alles Fleisch nur einem Hund zugefallen, wahrscheinlich Tus, dem Hund des Kolchosebrigadierhelfers Chomenka. Obwohl, Tus war alt, älter als Mitka. So dass auch er inzwischen wohl gestorben war …
    „Könnt ihr nicht mal ein bisschen heulen!“, bat Dobrynin leise die Hunde und spürte dabei, wie seine betrunkene Zunge sich den Worten widersetzte.

    Kalatschew bat Stepan Chramow, die Tassen noch einmal zu füllen.
    „Warum ist das Haus denn lang und nicht rund?“, setzte der wissbegierige Urku-Jemze dem lahmen Dujew noch immer mit Fragen zu.
    „Bist du denn kein Russe?“, gab der leicht berauschte Lahme zurück, der es nicht mehr aushielt.
    „Nein, bin ich nicht“, bekannte Dmitrij und spannte sich an, weil er nicht wusste, was er von seinem Gesprächs­partner nunmehr zu erwarten hatte.
    „Mhm, ach so“, brummte Dujew erstaunlich ruhig. „Wieso das Haus lang ist, fragst du? Weil es eben eigentlich kein Haus ist, sondern ein Waggon. Verstehst du, wie heißt du noch gleich …“
    „Dmitrij“, half der Urku-Jemze.
    „Dmitrij? Und du bist kein Russe? Vielleicht etwa Jude?“
    „Nein …“
    „Na schön, wart’s ab, du wirst schon sehen, jetzt trinken wir erst mal!“
    „Du, Dujew, könntest mal eine Pause einlegen!“ Kalatschew sah den Kameraden streng an. „Wer hat dir erlaubt, so mit dem Gehilfen des Volkskontrolleurs zu reden?!“
    „Was ist denn?“ Dujew war kläglich zusammengezuckt. „Was denn? Ich habe doch nur höflich … Natürlich bin ich ein bisschen betrunken. Aber gut, ich lass eine Runde aus …“
    Darauf seufzte Dujew tief, fuhr sich mit der rechten Hand über die Glatze – das war so eine Angewohnheit von ihm – und sah wieder den Urku-Jemzen an.
    „Ja“, begann Dujew aufs Neue. „Genosse Dmitrij, dies ist ein Waggon, da kann man unten Räder anbringen und ihn an einen anderen Ort fahren … Verstehst du?“
    Waplachow nickte. Er beschloss gleichfalls, die zweite Tasse auszulassen. Die übrigen leerten die ihren. Diesmal ohne Trinkspruch, den jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
    Chramow dachte an den Zug, der bald kommen und sie von hier fort bringen würde, vielleicht nach Hause, nach Rjasan, vielleicht auch einfach an einen anderen, aber wärmeren Ort.
    Goroschko grunzte, nachdem er den Fleisch-Selbstgebrannten mit einem einzigen langen Zug geleert hatte. Und er erinnerte sich an sein heimatliches Kosakendorf Labinskaja, das im russischen Nordkaukasus lag.
    ‚Der Volkskontrolleur bleibt irgendwie lange fort‘, überlegte Kalatschew und rutschte auf seiner Kiste hin und her. ‚Am Ende

Weitere Kostenlose Bücher