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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Schuld auf sich geladen hatte und dass er sich sehr bald nach der ganzen Härte des bolschewistischen Gesetzes dafür verantworten musste. Schon ein paar Monate hatte er die unerfreulichen Gedanken stets von sich fort geschoben. Doch jetzt, wo sich nach dem Willen des Schicksals ein Volkskontrolleur des Sowjetlandes bei ihm eingefunden hatte, wurde es Kalatschew unerträglich be­drückend zumute. Er erkannte, dass ihm nicht verziehen werden würde, aber dennoch wollte er gern wenigstens ein klein wenig sein Gewissen erleichtern. Und er beschloss, Ge­nosse Dobrynin die Tat zu gestehen. Wer wusste, vielleicht wurde ihm davon tatsächlich nicht nur leichter ums Herz, sondern es mochte sich auch eine gewisse Milderung der künftigen Strafe ergeben?
    Kalatschew sah hinüber zum Volkskontrolleur.
    Der betrachtete traurig die heulenden Hunde und wiegte von Zeit zu Zeit den Kopf.
    „Genosse Dobrynin“, begann der Leiter der Expedition endlich. „Ich möchte Ihnen gestehen … es gibt da eine un­schöne Sache …“
    Hier verließen Kalatschew der Mut und die Entschlossenheit.
    Dobrynin aber hatte sich ihm schon zugewandt und sah ihm mit keineswegs betrunkenem, sondern sogar sehr ernstem Blick in die Augen. Es war offensichtlich, dass er bereit war, Kalatschew bis zum Ende anzuhören.
    Es schien sogar, als würden die Hunde jetzt leiser heulen, und ihr mehrstimmiger Chor begann zu zerfallen und sich in einer Stille aufzulösen, die jeden Laut überwand.
    „Ich habe Moskau betrogen!“, stieß der Leiter der Expedition in einem Atemzug hervor.
    Dobrynins Mund ging auf. Unverständnis und Erstaunen verschmolzen in seinem Blick, und dieser Blick heftete sich direkt auf Kalatschew und drang bis in sein Innerstes vor.
    Der Rausch begann aus Kopf und Körper des Volkskontrolleurs zu weichen.
    „Wie denn das?“, fragte er. „Wie konntest du Moskau betrügen, Genosse Kalatschew?“
    Der Leiter der Expedition senkte schuldbewusst den Kopf. Schon bereute er sein Geständnis, aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. Und es lebte ja auch noch die Hoffnung, die Hoffnung auf Erleichterung.
    „Man hat uns nämlich hier abgesetzt und vergessen“, begann Kalatschew. „Die Vorräte gingen zur Neige, und neue hat man uns keine geschickt. Hier ist völlige Einöde. Wir hatten einen Auftrag – Gold zu finden für das Land … Ich wusste, dass beschlossen war, zu Orten, an denen man Goldvorkommen entdeckt hat, die Stichstrecken auf schnellstem Wege zu bauen. Da habe ich beschlossen, eine Funkmeldung zu senden, als hätten wir goldhaltige Erze an der Erdoberfläche gefunden. Nun ja, damit sie eine Strecke her bauen und uns von hier fort holen … Allein würden wir doch nie von hier wegkommen …“
    „So, so, so.“ Dobrynin, der nüchtern geworden war, begann zu begreifen. „Und das Gold?“
    „Woher soll es denn hier Gold geben? In den Senken ist doch ewiger Frostboden. Wir haben hier, außer in der Erde eingefrorenen Mammuts, nichts gefunden. Deshalb, Genosse Dobrynin, …“
    „Was sind denn Mammuts?“, unterbrach der Volkskon­trolleur den Chefgeologen.
    „Urzeitliche Elefanten … Das Fleisch haben wir gerade gegessen … Es ist eine Million Jahre alt.“
    „Was für Fleisch?“, schrak Dobrynin auf.
    „Das, was wir gegessen haben … Außer diesem Fleisch gibt es hier nichts in der Erde!“
    Dobrynin horchte in seinen Magen hinein, ihm war von dieser Neuigkeit geradezu schwindlig geworden.
    „Sterben wir denn nicht daran?“, fragte er unvermutet kläglich, mit einer Stimme, in der Todesangst schwang.
    „Wir essen es schon seit einem halben Jahr. Und wir sind nicht gestorben“, gestand Kalatschew. „Ohne wären wir natürlich gestorben, weil es hier sonst nichts zu essen gibt! Sie verstehen doch, wenn ich nicht gelogen hätte, dann kämen Sie und wir alle hier ums Leben … diese nahen Soldaten sind ja doch weiß der Teufel wo! Ich bitte Sie nur, wenn sie eintreffen, sagen Sie, dass ich Ihnen alles gestanden habe …“
    Dobrynins Schrecken verging. Er begriff, dass sein Organismus lebendig war und normal funktionierte. Der gesunde, besorgte Menschenverstand kehrte zurück.
    „Sie müssen es denen auch gestehen!“, sagte er leise.
    „Was?!“, entfuhr es Kalatschew; die Hunde waren endgültig verstummt. „Dann hören sie doch sofort auf, die Strecke zu bauen! Vielleicht sind sie schon ganz nah?!“
    „Genosse Kalatschew, bist du Kommunist?“, fragte der Kontrolleur streng.
    „Ja, natürlich …“
    „Und

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