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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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ich nicht!“, sagte Dobrynin. „Also musst du mich Ehrlichkeit lehren, nicht ich dich! Du musst ihnen die Wahrheit sagen …“
    Kalatschew seufzte tief. Sein Geständnis hatte zu nichts Gutem geführt, das hatte er schon begriffen. Nur was er jetzt tun sollte, wusste er nicht.
    „Aber ich kann doch nicht …“, stammelte er hastig, stand auf und ging zum Wagen, wobei er spürte, wie seine Hände zitterten und er innerlich vor Ärger bebte.
    Dobrynin stellte sich gleichfalls auf die Füße und folgte ihm ins Haus.
    Waplachow schlief auf seiner eisernen Liege, sorgsam mit ein paar Rentierfellen zugedeckt, obwohl es in dem Wagen nicht kalt war. Am Tisch schlief der lahme Dujew. Goroschko und Chramow spielten mit betrunkenen Stimmen das Städtespiel.
    „Molotow!“, sagte Chramow.
    „Woroschilowgrad!“, gab Goroschko zurück.
    „Dybinsk!“
    „Kommunarsk!“
    „Kujbyschew …“
    „Hört auf!“, unterbrach Kalatschew düster das Spiel.
    „Wieso?“ Goroschko hob den erstaunten Blick zum Chefgeologen.
    „Euer Chef hat Moskau betrogen!“, antwortete der Volkskontrolleur ihm darauf. „Setz dich ans Funkgerät, wir werden bekennen!“
    Bestürzt und mit weit aufgerissenen Augen starrte der Funker auf Kalatschew, der jedoch stand da, biss sich auf die Unterlippe, und sein schönes, männliches Gesicht trug den Stempel innerer Entrücktheit und Kapitulation.
    „Soll ich?“, fragte Goroschko Kalatschew mit auf einmal nüchtern gewordener Stimme.
    Dobrynin beugte sich indessen zu der Liege, auf der Dmitrij Waplachow im Schlaf schnaufte, zog dort seinen Reisesack hervor und holte den Revolver, Twerins Geschenk, heraus. Mit der Waffe in der Hand richtete er sich auf und sagte fest:
    „Mach schon, los! Such Moskau!“
    Er wies mit dem Kinn zur Funkstation.
    „Such“, sagte leise und mit einem Kopfnicken auch Kalatschew.
    Schwankend zog Goroschko seine Sitzkiste zu der Funkstation in der Ecke. Dort nahm er Platz, setzte sich mit zitternden Händen die Kopfhörer auf, drückte auf Schalter und drehte an Knöpfen.
    „Wir haben dich doch wie einen Bruder aufgenommen!“, bemerkte Kalatschew bitter, ohne sich nach Dobrynin umzusehen.
    Stepan Chramow lauschte den Vorgängen ruhig, dann flüsterte er wie zu sich selbst:
    „Betrügen ist nicht gut …“
    Dobrynin bedachte ihn mit einem beifälligen Blick.
    Im Raum piepte der Morseapparat los, Goroschko hatte die Frequenz eingestellt und sandte seine Rufzeichen in die Funkwelt hinaus. Der Kontrolleur horchte misstrauisch auf diese Katzenmusik, in dem Wissen, dass hinter jedem Laut ein Buchstabe oder ein Wort stand, die er beim Hören nicht verstand.
    „Hab’s!“, rief der Funker plötzlich aus, als ob er selbst nicht erwartet hätte, so schnell Verbindung zur Hauptstadt der Heimat zu bekommen.
    Dann wandte er sich zu dem Volkskontrolleur um und fragte schon finsterer:
    „Also? Was soll ich mitteilen?“
    „Teil mit!“, sagte Dobrynin, wobei er in der Hand immer noch den Revolver umklammerte, dessen Lauf er zu Boden gesenkt hatte. „Wir gestehen, dass wir unsere Heimat be­trogen haben. Gold gibt es hier überhaupt keines, es gibt nur Fleisch …“
    Goroschko verwandelte die Worte des Volkskontrolleurs in Punkte und Striche und schickte sie in unsichtbare Welten hinaus.
    „ … überdies sehr altes. Deshalb bitten wir, damit aufzuhören, die Eisenbahn zu bauen …“
    „Ja, wie denn das?“, fuhr plötzlich Stepan Chramow auf. „Wir erfrieren doch hier! Genosse Kontrolleur!“
    „Los, los!“, rief Dobrynin dem Funker zu, der gerade innehalten wollte. „… bitten wir, mit dem Eisenbahnbau aufzu­hören und nicht umsonst die Mittel des Volkes zu verschleudern …“
    „Stop!“, rief plötzlich Goroschko. „Empfang.“
    Er begann, nachdem er zu seinem Bleistiftstummel ge­griffen hatte, die Seiten des besonderen dicken Heftes mit gleichförmigen Zeichen zu füllen. Als er fertig war, begann er wieder etwas zu senden, doch schon nicht mehr nach Dobrynins Diktat, ja, man wusste überhaupt nicht, nach wessen Diktat. Dann traf wieder eine Antwort ein …
    „Was sendest du ihnen?“, entrüstete sich Dobrynin nach einer Weile.
    „Sie fragen nach dem Fleisch: was für welches da ist, und wie viel …“, sagte der Funker schnell, ohne sich von seiner Arbeit ablenken zu lassen.
    Zehn Minuten später drehte er sich um, sah den Volkskontrolleur freundlicher an und fragte:
    „Soll ich noch etwas durchgeben?“
    „Ja, gib einen Gruß von Volkskontrolleur

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