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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Künstler ist aufgewacht!“
    Wieder eilte sie herbei, beugte sich über ihn, fühlte seinen Puls.
    „Kusma …“, flüsterte Mark. „Wo ist Kusma? Wo ist er?“
    Weil er spürte, dass ihm wieder heiß wurde, verstummte er und versuchte sich zu entspannen.
    Es gelang ihm. Mark verlor das Bewusstsein nicht. Er blickte an die Decke und zählte ihre Risse.
    „Zwei Wochen lang hat er im Fieber nach diesem Kusma gerufen!“, erzählte sein Bettnachbar den Neuen, leicht Verwundeten. „Dabei gibt es diesen Kusma bestimmt schon nicht mehr. Vor ihm hat Einer hier gelegen und im Fieber ständig nach einer Mascha gerufen. Später hat sich herausgestellt, dass die ganze Familie bei lebendigem Leibe im Zug verbrannt ist … kamen auf dem Weg in die Evakuierung in einen Bombenhagel …“
    Bisweilen wurden die Stimmen der verwundeten Kämpfer lauter und Mark hörte jedes Wort, bisweilen entfernten sie sich, dann klangen sie dumpf, wie aus einem Erdloch, und selten einmal wurde ein Wort für Mark verständlich.
    Hin und wieder kam ein Arzt, legte sein Ohr an Marks Brust und horchte auf etwas, durch die vielen Schichten aus Verbänden hindurch, die man schon tagelang nicht gewechselt hatte.
    Als er von Neuem ein wenig Kraft in sich spürte, sah Mark sich aus dem Augenwinkel um und flüsterte, jetzt schon lauter als vorher: „Kusma! Wo ist Kusma?“
    Tanjuscha kam herbeigeeilt, beugte sich über ihn und beruhigte ihn.
    „Ihr Kusma kommt, er kommt ganz bestimmt!“, sagte sie.
    Dabei seufzte sie tief und wechselte einen Blick mit einem der verwundeten Kämpfer.
    „Er ist kein Mensch …“, flüsterte Mark. „Kusma ist kein Mensch …“
    „Was denn dann?!“, fragte Tanja verwundert.
    „ … a … a … ei …“, brachte der Künstler mühsam heraus, der sich bereits erschöpft hatte und spürte, wie ihn der Kopf zu schmerzen begann.
    „Was?“ Tanja beugte sich ganz nah zu seinen Lippen.
    „Papa … gei …“, versuchte Mark deutlicher zu sprechen.
    In Tanjas Augen blitzte ein Funken der Erkenntnis auf und sie lächelte.
    Mark bemerkte diesen Funken und sah ihr hoffnungsvoll ins Gesicht. Er zog sogar seine Hand unter der Decke hervor und streckte die bleichen, gelblichen Finger nach Tanja aus.
    „Wo ist er?“, flüsterte er mit letzter Kraft.
    „Ist er grün und hellblau?“, fragte die Schwester.
    Mark nickte zur Bestätigung.
    „Den pflegt der Leiter des Lazaretts …“, sagte Tanja.
    Marks Kraft reichte nicht mehr aus, um das Gespräch fortzusetzen, und er richtete seinen Blick wieder an die Decke, heftete ihn auf die gekrümmten Linien all der großen und kleinen Risse.
    Als Tanja am nächsten Tag erneut im Zimmer war, nahm Mark das Gespräch wieder auf.
    „Holen Sie den Leiter des Lazaretts!“, bat er die Schwester.
    Sie holte ihn.
    Der Leiter des Lazaretts, ein Oberstleutnant und Militärarzt, ein grauhaariger, schöner Mann mit edlen Zügen, stellte einen Hocker an Marks Kopfende und setzte sich.
    „Was ist mit ihm?“, fragte Mark.
    „Die Leber ist verletzt“, antwortete der Oberstleutnant. „Ich bin kein Tierarzt, aber ich tue, was ich kann. Sie haben ihn anscheinend im Moment der Explosion stark gedrückt. Sie wurden doch gemeinsam eingeliefert … Und er hat einen Granatsplitter abbekommen, in einem Flügel hat er ein Loch …“
    „Bitte, melden Sie Moskau … dem ZK … dem Genossen Urluchow, dass wir hier sind …“, bat Mark.
    „Mache ich“, versprach der Oberstleutnant.
    Ein paar Tage später brachte Tanjuscha eine alte Frau mit dicken runden Brillengläsern ins Zimmer.
    „So, Genossen Kämpfer“, lenkte sie die Aufmerksamkeit aller auf sich. „Jefrossinja Fjodorowna vom Artel der Invaliden ‚Roter Oktober‘ ist zu Ihnen gekommen.“
    Die Soldaten wurden munter und sahen neugierig auf die beiden zugedeckten Körbe, die die Alte fest in den Händen hielt. Sie dachten, man schicke ihnen Lebensmittel. Doch die Alte beeilte sich nicht, die Körbe aufzudecken. Sie erzählte den Kämpfern, dass ihre zehn Enkel an den Fronten kämpften und zwei von ihnen mit Medaillen für Verdienste im Kampf ausgezeichnet wurden. Und dann ging sie, nachdem sie einen ihrer Körbe am Eingang auf dem Boden abgestellt hatte, zu jedem Bett und schenkte jedem der Kämpfer ein Paar gestrickte Fäustlinge.
    „Damit euch wärmer ist, wenn ihr die Deutschen schlagt!“, erklärte sie.
    Danach führte Tanja sie in das nächste Zimmer. Die Kämpfer waren wieder ruhig geworden. Mancher, wie Mark, blickte an die

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