Der unersättliche Spinnenmann
nicht. Er sagt, er will aufs Priesterseminar und dann an eine Kirche irgendwo in irgendeinem Dorf. Ah, übrigens, Christus hat man gekreuzigt und nicht geköpft.«
»Das sagen die Pfaffen, weil ein Typ am Kreuz dramatischer wirkt als ein Typ, den man geköpft hat. Da geht’s um die richtige Inszenierung.«
»Ach, du hast wohl auch ‘ne Schraube locker.«
»Nee, ich hab keine Schraube locker. Halt Jorgito zurück, damit er nicht so viel redet. Die Wahrheit wird immer schuldig gesprochen. Und sie werden sein Leben zu Mus machen.«
Zaida seufzte:
»Ich hab das Gefühl, er hält sich für einen Märtyrer.«
»Die Zeiten sind vorbei. Da kommt er zu spät in der Geschichte. Ich weiß nicht, was ich dir raten soll.«
»Ich weiß auch nicht, was ich denken soll. In dem Alter wäre es doch normal, dass ihm die Frauen gefallen.«
»Oder dass er sich wenigstens mal einen runterholt.«
»Das macht er auch nicht. Ich hab ihn beobachtet, da ist nichts.«
»Such ihm eine Mieze, die ihn verführt. Wenn er von der Sahne kostet und seine Milch loswird, dann kommt er schon zu sich.«
»Ich hab schon dran gedacht. Es gibt ‘ne Menge Mädchen, die hinter ihm her sind, aber er beachtet sie nicht.«
»Mach das mal. Und wenn es nichts nützt, keine Sorge. Im Seminar lernt er bestimmt ‘ne Menge. Aber es bleiben unterwegs auch viele auf der Strecke. Von fünfzig, die anfangen, macht nur einer Examen.“
»Ach du liebe Zeit, er ist doch mein einziger Sohn.«
»Zaida, jetzt mach nicht aus einer Mücke einen Elefanten.«
»Du hast leicht reden, er ist ja nicht dein Sohn.«
»Wenn er mein Sohn wäre, würde ich ihn zu den Huren mitnehmen, dann käme er schon auf andere Gedanken.« Wir schwiegen. Einen anderen Rat hatte ich nicht. Die Huren lösen einem viele Probleme im Leben. Glaube ich jedenfalls. Sie bot mir Kaffee an. Ich fragte sie, ob man hier irgendwo Fisch kaufen konnte, Hühnchen, irgendwas mit Proteinen fürs Mittagessen. Sie antwortete:
»Keine Ahnung. Am besten gehst du nach Mantilla. El Calvario ist das Ende der Welt. Hier kommt nie was hin.« Auf dem Bürgersteig ging eine aufreizende Mulattin vorbei, in winzigen Shorts und mit einem großen, verführerischen Hintern, hart und muskulös. Sie hatte tätowierte Schenkel und trug eine seltsame Mütze mit einer aus Goldfäden gewirkten Aufschrift: OLIVIA. Sie sah aus wie eine knallharte Zuchthäuslerin, die gerade aus dem Knast gekommen ist. Und vielleicht wegen Mord gesessen hat. Am Rand der Shorts, zwischen den Beinen, drang das Schamhaar hervor. Sie war die Geilheit in Person, die wandelnde Versuchung, und lachte völlig hemmungslos. Ich sah ihr hinterher. Zaida sagte:
»Die Schwarze da wohnt um die Ecke und treibt’s mit jedem. Gefällt sie dir? Siehst du, das meine ich. Das ist doch normal. Warum ist mein Sohn nur nicht so?«
»Achte nicht auf mich. Ich bin ein Desaster, was das angeht.«
»Ich will aber, dass mein Sohn auch so ist. Ein Macho. Hinter den Frauen her. Ein ganz normaler Typ eben.«
»Na ja, er ist ein junger Kerl. Das geht schon vorbei. Dieses Alter ist bei den Jungs kompliziert.«
»Meinst du wirklich?«
»Bestimmt.«
»In meiner Jugend, da …«
»Da warst du ganz anders, Zaidita, hahaha. Ich erinnere mich ganz genau.«
»Du hast ein gutes Gedächtnis.«
»Für die guten Dinge, die schlechten vergesse ich lieber.«
Wir sahen uns an und lachten über unsere Jugendstreiche. Wir hatten damals ein paar schöne Stunden in den Wiesen um El Calvario. Ich war so um die dreißig und sie vielleicht vierzehn. Das war schön gewesen, aber längst vorbei.
»Okay, Zaida, ich überlass dich jetzt deinem Kaffee und deinen Plätzchen.«
»Man sieht sich.«
»Pass auf dein Priesterchen auf. Vielleicht nimmt er dir mal die Beichte für deine Sünden ab.«
»Hahaha.«
»Genau das ist es, was du machen musst. Lache über das Leben. Du bist immer fröhlich gewesen und hast gern gelacht.«
»Gut, dass wir uns getroffen haben. Wenigstens hast du mir Mut gemacht.«
»Aha.«
Ein bisschen weiter dröhnte in einem Haus eine Musikanlage in voller Lautstärke. Eine Salsa-Band wiederholte einen bekannten Refrain:
Ich bin so sanft, bin so charmant.
Ich bin so toll und elegant.
Na, sagt, ist das nicht allerhand!
Zwei sehr scharfe junge Mädchen tanzten mit heftigen Beckenbewegungen, lachten, und als ich an ihnen vorbeiging, riefen sie mir zu:
»Na komm schon, Großer, komm her, du bist doch sanft und so charmant, toll und elegaahant, und hast
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