Der unersättliche Spinnenmann
immer über dieselbe tagtägliche Scheiße und über das Elend und Generve. Nicht einmal ich kann deine Bücher lesen. Schreib was Fröhlicheres, was Normaleres.«
»Was Blödsinnnigeres?«
»Sei nicht so ein Arsch. Schreiben alle anderen Schriftsteller nur Blödsinn?«
»Keine Ahnung. Ich lese sie nicht.«
»Siehst du? Du meinst halt immer, dass deine Sachen die besten sind.«
»Ich meine das nicht, ich bin überzeugt davon.«
»Ist das dein Ernst?«
»Wenigstens bin ich kein Speichellecker und Stiefelputzer.«
»Auf jeden Fall bist du verbittert und enttäuscht.«
»Und skeptisch. Ich glaube an nichts und niemanden. Ich brauche einen Stromstoß.«
»Was soll das heißen?«
»Etwas, das mich einen Luftsprung machen lässt.«
»Ach, red doch keinen Scheiß.«
Meine Mutter rief sie in die Küche. Das Huhn war zäh und wurde nicht weich. Eine zähe, fade, alte Henne als Sonntagsessen. Julia möchte, dass ich hübsche, fröhliche Sachen schreibe. Dabei ist es eigentlich mein Ding, in die Kloaken abzutauchen, Ratten zu fangen und ihnen den Bauch aufzuschlitzen, um zu sehen, was drin ist. Ich schaltete den Fernseher aus, blieb ruhig sitzen, schloss die Augen und entspannte mich. Ich hatte Hunger.
Nur ein paar Auserwählte
Ein guter Freund aus Lima rief mich eines Abends an und bat mich, zwei Arbeitskolleginnen etwas Interessantes von Havanna zu zeigen. Am Nachmittag danach meldeten sie sich am Telefon und sagten in lustigem Singsang:
»Hallooooo! Wie geht’s? Wir sind die Freundinnen von Lucio. Wir sind schon in Havanaaaaa … Ich bin Teresa, und meine Freundin ist Ana Maria.«
Es klang irgendwie aufgesetzt. ›Vielleicht meinen sie, das hier ist ein endloser Karneval‹, dachte ich. Für viele sind die Tropen wie Kokain.
»Ah, okay. Hallo.«
»Hör mal, was hältst du davon, wenn wir uns heute Abend treffen? Was schlägst du vor?«
»Äh … Keine Ahnung.«
»Man hat uns einen Tipp gegeben: El Pico Blanco. Angeblich gibt’s dort gute Musik, und die Stimmung ist sehr … sehr romantisch und so. Ist das wahr?«
»Ja, da gibt’s Feeling.«
»Oh, ja, es ist also wirklich sehr romantisch, prima. Kann man da tanzen? Tanzt du gern? Ja, natürlich, du bist Kubaner. Da musst du gut tanzen.«
»Äh … Seid ihr nicht müde von der Reise? Vielleicht besser morgen …«
»Keine Sorge. Wir haben sehr viel unverbrauchte Energie, hahaha. Wir sind doch nur eine Nacht hier. Morgen reisen wir nach Jamaica weiter, und danach kommen noch die Bahamas, Miami, Acapulco, Isla Margarita. Wie findest du das?«
»Super. Wart ihr noch nie in der Karibik?«
»Nein. Deshalb haben wir diese Rundreise ja gebucht. Was hältst du davon? Das müssen tolle Orte sein.«
»Keine Ahnung.«
»Kennst du sie denn nicht?«
»Nein.«
»Oh, dafür solltest du dir aber mal ein paar Tage Zeit nehmen. Du musst doch deine nächste Nachbarschaft kennen!«
»Zeit ist nicht das Problem, eher das Geld. Das ist bestimmt ziemlich teuer.«
»Äh … ich weiß nicht. Ich denk mal … Keine Ahnung, ob das teuer ist.«
»Außerdem kann man als Kubaner nicht so einfach reisen. Wusstet ihr das nicht?«
»Äh … oh, aber diese Insel ist doch wunderbar. Ein Paradies. Da braucht ihr doch gar nicht zu reisen. Wozu denn auch?«
Ich war kurz davor, aufzulegen und den Hörer neben die Gabel zu legen. Ich weiß immer noch nicht, weshalb ich weiter zuhörte. Wir verabredeten uns für um neun. Sie kamen pünktlich in die Hotellobby. Es waren aber nicht zwei, sondern drei: Teresa und Eduardo, ihr Mann. Und Ana Maria. Wir machten uns bekannt. Alle sehr fröhlich und in Amüsierlaune, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. Ana Maria sah auf meinen rasierten Kopf, betastete ihn sehr behutsam und sagte:
»Wogegen protestierst du denn?«
»Ich protestiere nicht. Ich möchte einfach hässlich sein.«
»Weshalb denn?«
»Damit mich die Frauen in Ruhe lassen.«
»Na, das schaffst du aber nicht.«
Uff, eine verführerische Peruanerin. Sie war dunkel mit einem Schuss Indianerin, zimtfarbener Haut und langem, schwarzem Haar. Und einem ein bisschen zu üppigen, aber hübschen Körper. Teresa war hoch gewachsen, schlank und sah intellektueller aus, irgendwie feministisch oder so. Mir kam es so vor, als wäre das nur eine Pose und dass sie in Wirklichkeit alles dafür gäbe, die Frau eines LKW-Fahrers zu sein. Auf jeden Fall hatte sie Eduardo an ihrer Seite. Wir fuhren ins oberste Stockwerk hinauf, setzten uns in die Nähe der
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