Der ungezähmte Highlander
gewisse Skepsis, und nach und nach verlor Lady Maude auch den Rest ihrer Zuhörerschaft. Selbst diejenigen, die anfangs von ihr hingerissen waren, schienen Zweifel zu beschleichen, saß sie doch in all ihrer Schönheit, bei bester Gesundheit und in kostbaren Kleidern vor ihnen. Vor allem die Überlebenden von Raufs brutaler, wenn auch zum Glück nur kurzer Herrschaft über Ardgleann zeigten rasch, dass sie von Lady Maude nicht viel hielten. Sie alle wussten, wie man aussah, wenn man ständig verprügelt wurde oder tagelang nicht genug zu essen oder zu trinken bekam.
»Ihr beschuldigt Euren Ehemann einiger schwerer Verbrechen gegen Euch, M’Lady«, sagte Liam. »Aber vielleicht solltet Ihr Eure Geschichten lieber Euren Blutsverwandten erzählen.« Er blickte auf ihre drei Begleiter. »Wenn Ihr glaubt, dass Ihr mehr Schutz braucht, können wir bestimmt noch ein paar Männer dafür abstellen.«
»Wie könnt Ihr mich so herzlos verstoßen?«, fragte Lady Maude. »Ihr wisst doch, dass meine Blutsverwandten mich einfach wieder zu Robbie zurückbringen würden, wenn ich zu ihnen ginge. Sie würden mich nicht vor meinem Mann beschützen.« Sie begann zu weinen. »Sie wissen nicht, wie das ist mit der Liebe. Robbie war doch eine solch gute Wahl, werden sie sagen, und dann werden sie mich seinen grausamen, lieblosen Händen ausliefern. Reichtum, Macht, fruchtbare Felder – nur darum geht es ihnen.«
Sie fuhr fort, zu schniefen und zu klagen. Liam rieb sich die rechte Schläfe, wo sich ein stechender Schmerz bemerkbar machte.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Keira Lady Maude beobachtete. Sie wandte den Blick kaum von der Frau. Er spürte Keiras Wut in jedem angespannten Muskel ihres Gesichts und ihres Körpers. Lady Maude schien davon nichts zu bemerken, was Liam kaum begreifen konnte.
»Bitte, mein Lieber«, flehte Lady Maude. »Lasst mich bei Euch bleiben.«
»Auch ich werde Euch nicht vor Eurem rechtmäßigen Ehemann beschützen, M’lady«, erwiderte Liam.
»Aber nach allem, was ich Euch erzählt habe …«
»Ich kann nicht umhin, einige Eurer Behauptungen zu bezweifeln.« Offenbar ärgerte sie das, denn ihre Tränen versiegten erstaunlich rasch. »Wie ich schon sagte, ich kann Euch einige Männer als zusätzlichen Schutz für Eure Reise mitgeben«, fuhr er fort.
»Aber Liam, mein Liebster, die Sonne ist bereits untergegangen, und das Wetter hat umgeschlagen.«
Ein rascher Blick zu ihren Männern zeigte Liam, dass zumindest das der Wahrheit entsprach. Die Männer sahen durchnässt, verdreckt und müde aus. Da sich an Lady Maude nicht der kleinste Spritzer Schlamm fand, war sie wohl in einem geschlossenen Wagen gereist, oder die Männer hatten ihre Ölumhänge für sie opfern müssen.
»Ihr könnt hier übernachten«, sagte er.
Sobald er die Einladung ausgesprochen hatte, wusste er, dass er gerade einen großen Fehler gemacht hatte. Er hätte die Frau aus seinem Keep vertreiben müssen, ihr eine Kate an der äußersten Grenze seiner Ländereien anbieten oder ein Bett in der Dorfschenke bezahlen sollen. Doch Lady Maudes Begleiter hatten ihm leidgetan. Aber jetzt bemerkte er, dass sie ihm bedauernde Blicke schenkten. Alle anderen in der Großen Halle sahen in ziemlich fassungslos an. Wahrscheinlich würde ihm keiner seine Erklärung glauben. Liam vermied es, Keira anzusehen, doch ihr Blick brannte ihm fast ein Loch in die Kleider. Zu seiner Erleichterung wurde Lady Maudes Versuch, ihn zu umarmen, durch die Armlehne seines Stuhls vereitelt, die lang genug war, um ihm die Chance zu geben, sie zurückzuhalten.
»Sobald der Regen nachlässt, zieht Ihr weiter«, sagte er und drückte die Frau auf ihren Stuhl zurück. »Ich lasse mich von Euch nicht in das Spiel verwickeln, das Ihr mit Eurem Ehemann treibt.«
»Oh, wie grausam Ihr doch seid«, murrte sie.
Liam bemerkte, dass seine Grausamkeit ihr nicht den Appetit verdorben hatte. Eilig verdrückte sie alles Essbare in ihrer Reichweite. Leise befahl Liam einem der finster blickenden Küchenjungen, Lady Maude und ihren Leuten etwas Herzhafteres vorzusetzen. Dann wandte er sich an seine Frau.
»Die Männer müssen ausruhen«, sagte er.
»Natürlich«, erwiderte Keira. »Sie sehen ziemlich erschöpft aus. Müde, hungrig und zornig.« Ihr Blick Richtung Lady Maude zeigte deutlich, wen sie dafür verantwortlich machte. »Die Höflichkeit gebietet es, dass wir sie nicht in die Nacht und das Unwetter hinausschicken.«
»Aye, so ist es.« Etwas in Keiras Stimme gab Liam
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