Der ungezähmte Highlander
Beinahe hätte sie laut aufgeschrien. Zum Glück war sie besonnen genug, um zu bemerken, dass Liam nicht zu dieser Männergesellschaft gehörte, sondern die schöne Lady Maude ansah, als wäre sie eine Ratte in seinem Essen. Aber Keira war zu zornig, um gelassen zu bleiben. Lady Maudes Auftauchen erinnerte sie nicht nur allzu schmerzhaft an Liams Vergangenheit, es vereitelte auch ihre Pläne, die sie sich für diesen Abend gemacht hatte. Unwillkürlich fragte sich Keira, ob Lady Maudes Auftauchen nicht ein Omen war.
Das war also ihre Zukunft als Ehefrau eines Mannes wie Liam, eine Zukunft, in der alle möglichen Frauen versuchen würden, ihn ihr wegzunehmen oder ihn in Versuchung zu führen, ihr treulos zu werden. Sie glaubte Liam mittlerweile zwar, dass er nie der Geliebte dieser Frau gewesen war, aber darauf konnte sie nicht bauen. Diesmal mochte er ja die Wahrheit gesagt haben, aber was war beim nächsten Mal? Vielleicht würde sie mit der Zeit zu einem eifersüchtigen Hausdrachen werden, und all ihre Hoffnungen auf eine lange, glückliche Ehe würden zerrinnen. Wenn sie wenigstens gewusst hätte, ob er sie liebte! Dann hätten sich ihre Zweifel bestimmt gelegt. Aber weil sie es nicht wusste, wurden die düsteren Aussichten umso wahrscheinlicher.
Als Lady Maude zu Liam eilte und sich beinahe auf ihn gestürzt hätte, biss Keira die Zähne so heftig zusammen, dass ihr der Kiefer schmerzte. Liam packte die Frau zwar an den Armen und hielt sie auf Distanz, doch diese schnelle Zurückweisung besänftigte Keira nicht. Am liebsten wäre sie hinauf in ihr Schlafgemach gestürmt, aber vorher hätte sie Lady Maude die goldenen Haare einzeln ausgerissen. Doch sie zwang sich, auf ihrem Stuhl sitzen zu bleiben. Sie konnte sich vor den Menschen von Ardgleann so etwas Törichtes und Rückgratloses und Unwürdiges nicht erlauben.
»Verflucht, Maude, was macht Ihr hier?«, knurrte Liam und drückte sie auf den Stuhl, den einer der Männer hastig geholt hatte.
»Ich suche nach Euch«, erwiderte sie. Sie zog ein hübsch besticktes Leinentüchlein hervor, um sich die Tränen abzutupfen, die ihr plötzlich in die Augen geschossen waren. »Mein Ehemann hat mich eingesperrt, nachdem er mich von dem Kloster nach Hause geschleift hatte, wo ich Euch besucht hatte, mein Lieber. Erst nach Wochen gelang es mir, mich zu befreien, sodass ich wieder bei Euch sein kann. Ach, mein Schöner, mein Ehemann hat mich grausam behandelt.«
»Vielleicht ärgert es ihn ein bisschen, dass seine Frau auf der Jagd nach einem anderen Mann im ganzen Land herumstreunt?«, murmelte Keira und fand es spaßig, dass Lady Maude es schaffte, ihr einen wütenden Blick zuzuwerfen, während sie weiterhin so tat, als verginge sie vor Verzweiflung und Liebeskummer. »Nur so ein Gedanke«, fügte Keira hinzu.
»Wer ist denn das, mein Lieber?«, fragte Lady Maude.
»Das ist meine Ehefrau, Lady Keira«, erklärte Liam. »Ich bin jetzt ein verheirateter Mann.«
Plötzlich erkannte Keira, dass das Ganze für die Frau nur ein Spiel war. Sie glaubte mittlerweile zwar, dass Liam wirklich nie mit ihr das Bett geteilt hatte, aber ihr war noch nicht klar gewesen, inwieweit er für Lady Maudes offenkundige Anbetung verantwortlich war. Jetzt bezweifelte sie sogar, dass die Frau Liam überhaupt liebte. Vielleicht begehrte sie ihn, doch welche Frau würde Liam nicht gerne beiliegen, wenn er sie wollte oder sie kühn genug war, sich einen Geliebten zu nehmen. Aber ihn lieben? Nein, das tat Lady Maude bestimmt nicht. Doch warum trieb sie dieses Spiel?
»Ich würde vorschlagen, Ihr kehrt jetzt zu Eurem Ehemann zurück, M’Lady«, sagte Liam. Auch wenn er inständig hoffte, dass die Sache damit erledigt war, glaubte er nicht, dass ihm dieses Glück vergönnt sein würde.
»Zu Robbie? Aber er war so grausam zu mir, mein süßer Prinz. Er hat mir ganz schreckliche Angst eingejagt.« Sie schauderte, was die Blicke der Männer sofort wieder zu ihrem Busen fliegen ließ. »Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie grausam er mich behandelt hat.«
Keira beobachtete die Männer in der Großen Halle, während Lady Maude eine Geschichte nach der anderen über die barbarische Behandlung durch ihren Gemahl erzählte. Die Frau ging offenbar so auf in ihrem Spiel, dass sie gar nicht bemerkte, dass sie es übertrieb. Bis auf Tait und Liam hatten die Männer den Geschichten anfangs sehr aufgebracht und voller Mitgefühl gelauscht. Kester, Malcolm und Sir Archie zeigten jedoch rasch eine
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