Der ungezähmte Highlander
sollte ihr wahrhaftig nicht so schwerfallen, dem Drang, ihn anzusehen, zu widerstehen. Als er schwach und verletzt im Bett lag und sie ihn gepflegt hatte, hatte sie alles gesehen, was es an ihm zu sehen gab. Natürlich war sein Anblick in der Zeit nicht gerade berückend gewesen, doch sobald die Schwellungen zurückgegangen und die Blutergüsse verblasst waren, hatte er mit jedem Tag einnehmender ausgesehen. Mittlerweile war er wohl an der Grenze angelangt. Seit einigen Tagen sah sie ihn in all seiner Pracht, es war also höchste Zeit, nicht mehr so viel Vergnügen dabei zu finden.
Während sie ihr Hemd so heftig auswrang, dass sie kurz davorstand, es zu zerreißen, gestand sie sich ein, dass sie deshalb so abrupt aufgestanden war, weil sie ihn fast aufgefordert hätte, sein Hemd anzuziehen. Das hätte ihm ihre Gefühle verraten. Ihren Zorn hätte sie ihm gut erklären können: Welche Frau wäre nicht zornig geworden, wenn sie herausgefunden hätte, dass der Mann, den sie so aufopferungsvoll gepflegt hatte, kaum besser war als ein Hund, der ständig auf der Suche nach läufigen Hündinnen war? Aber abgesehen davon gab es noch einen Grund, verletzt und wütend zu sein, einen, den sie sich allerdings nur ungern eingestand: Dieser Hund schien sich nicht für sie zu interessieren.
Es kränkte sie mehr, als sie zugeben wollte, weit mehr als Duncans traurige Gleichgültigkeit. Das sagte natürlich einiges über den Zustand ihrer Gefühle für diesen Mann aus, doch es erschreckte sie so sehr, dass sie sich nicht näher damit befassen wollte. Er hatte einen ganzen Monat mit ihr zusammen in einer kleinen Kate verbracht und sie nicht ein einziges Mal geküsst. War es da ein Wunder, dass ihr zum Weinen zumute war und sie kaum etwas essen konnte?
Etwas Weißes flog an ihr vorbei und landete im Zuber. Keira starrte auf Liams Hemd. Langsam zog sie es heraus. Vermutlich erwartete er, dass sie es für ihn wusch. Einen Moment lang ergötzte sie sich an der Vorstellung, ihn an seinen Stuhl zu fesseln und ihm das Hemd in den Mund zu stopfen. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu – er saß wieder am Tisch und aß gemächlich die letzten Bissen. Als er merkte, dass sie ihn ansah, lächelte er sie süß an. Ihr Blick verfinsterte sich, bevor sie sich wieder dem Zuber zuwandte.
Liam verkniff sich ein Lachen. Dieser Blick war so messerscharf gewesen, dass er sich wunderte, dass er nicht blutete. Er hatte die Taktik seines Cousins Sigimor, der Menschen in äußerste Wut versetzte, um Streitfälle zu lösen, immer sehr merkwürdig gefunden, doch allmählich erkannte er ihren Nutzen. In Keira schwelte die Wut. Wenn er in der Glut herumstocherte, würden bald Flammen hochschlagen, und dann würden all die Worte aus ihr herausbrechen, die sie so mühsam zurückhielt. Vermutlich würde ihm einiges nicht gefallen, aber immerhin würde er dann nicht mehr rätseln müssen, was wohl in ihr vorging.
Er versuchte mehrmals halbherzig, mit ihr ins Gespräch zu kommen, doch er war froh, als Mary und ihre zwei Brüder auftauchten, um das Tablett und den Zuber zu holen. Mit Keira zu reden war, als rede er gegen eine Wand. Die wenigen Antworten, die er ihr entlocken konnte, bestanden aus undeutlichen Lauten und etwas, was einem Knurren gefährlich nahe kam. Als Mary wieder anfing, in der Vergangenheit zu schwelgen und sich an eine besonders lustige Episode zu erinnern, als er mit ein paar Cousins aus Dubheidland hereingeschneit war, schob Liam die munter plaudernde Frau rasch aus dem Zimmer. Daran, wie sich Keiras Augen verengten, erkannte er, dass er wahrscheinlich ein wenig zu spät gehandelt hatte. Verdrossen setzte er sich aufs Bett und begann, seine Stiefel auszuziehen.
»Was macht Ihr da?«, fragte Keira.
Sie funkelte Liam wütend an, während sie versuchte, Marys Worte aus ihrem Kopf zu verscheuchen. Es fiel ihr nicht leicht, und wahrscheinlich würde das auch lange so sein. Mary hatte keine Einzelheiten enthüllt, aber bevor Liam sie hinausgeschoben hatte, hatte sie genug gesagt, um in Keira gewisse Vorstellungen zu wecken. Und jetzt lief ihre lebhafte Fantasie völlig aus dem Ruder. Sie musste sich bremsen, sonst würde sie nie mehr ein Auge zumachen.
»Ich gehe ins Bett«, erwiderte Liam und schüttelte das Kissen auf, bis ihm die Form passte.
»Wir können nicht gemeinsam in einem Bett liegen.«
»Ich habe meine Hose angelassen, und außerdem haben wir einen Monat lang unter einem Dach gelebt.«
»Wir haben aber nie gemeinsam in einem
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