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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Palmer. Wir müssen also warten, bis er in die Gänge kommt. «
    Ich hatte keine Ahnung, wie Dr. Hanshaw es schaffte, in seinem Job den Überblick zu behalten. Immer wieder hatte er neue Leichen und Tatorte zu begutachten, Autopsien durchzuführen und zu protokollieren, zu den Besprechungen der Ermittler zu erscheinen, bei Gerichtsterminen als Sachverständiger aufzutreten. Sein Verstand war scharf wie ein Skalpell, er kannte sich perfekt aus auf seinem Gebiet und irrte sich höchst selten. Angesichts dieser Qualitäten tat es nicht viel zur Sache, dass er nicht besonders sympathisch wirkte, zumindest nicht auf mich. Godley kam jedoch bestens mit ihm aus. Und er wäre sicher, so wie ich, wenig begeistert gewesen, Derwent derart abschätzig über den Rechtsmediziner reden zu hören, insbesondere vor zwei Nachwuchskollegen. Aber ich hatte nicht den Mut, ihm meine Meinung zu sagen, und beschränkte mich auf: » Er ist sehr zuverlässig. Und schnell. «
    Derwent gab ein Grunzen von sich. » Sollte er auch lieber. « Dann klopfte er auf die Sessellehne. » Das war also Tremletts Kantine. Hübsch. «
    Ich verzog das Gesicht. » Ziemlich trostlos. «
    » Kann man wohl sagen. Und laut. «
    Unter uns rumpelten die Waschmaschinen, was unter anderen Umständen ein beruhigendes Geräusch sein mochte. Auf der Straße donnerte alle paar Sekunden ein Auto oder ein LKW vorbei. Dass die Fahrbahn eng war, half auch nicht weiter, denn die Fahrer mussten oft warten, ehe sie weiterfahren konnten, während die Motoren vor sich hin brummten. Hin und wieder brachte eine lautstarke Auseinandersetzung mit Gebrüll und Hupkonzerten ein wenig Abwechslung.
    » Das blendet man nach einer Weile aus « , sagte ich. » Man gewöhnt sich daran. Das meiste sind gleichförmige Geräusche. «
    » Außerdem hatte er seine Klimaanlage laufen. « Cowell betätigte den Lichtschalter für das Nachbarzimmer, und es begann leise zu surren, als gleichzeitig mit dem Licht ein Ventilator anging. » Alles voll geregelt. «
    Derwent nickte. » Sicher gut für die Rechner, aber Ivan Tremlett hatte irgendwie schon einen Überwachungstick. Jetzt wollen wir doch mal sehen, wo er seinen Arbeitstag zugebracht hat. «
    Cowell öffnete die Tür zum Computerraum. Innerlich machte ich mich auf Grausiges gefasst. Aber es sah weit weniger dramatisch aus, als ich befürchtet hatte. Das Büro war weitestgehend demontiert, da die Kriminaltechniker sämtliche Computer mitgenommen hatten, die auf dem schmalen, speziell für den Raum gefertigten Eckschreibtisch gestanden hatten, wo jetzt nur noch ein staubiger Abdruck an sie erinnerte. Der Tisch selbst war mit schwarzem Fingerabdruckpulver überstäubt. Abgesehen davon befanden sich auf fast allen Flächen bräunlich verschmierte Spuren von geronnenem Blut. Die Mitte des Raumes war leer, bis auf eine große, unförmige Blutlache auf dem Fußboden.
    » Wundert mich ja, dass das unten nicht durch die Decke getropft ist. «
    » So was hab ich wirklich schon mal gesehen. Direkt durch die Deckenlampe, tropf-tropf-tropf, da kriegt der Untermieter einen bösen Schock. « Derwent lachte. » Das ist der Grund, warum ich in einem Mietshaus immer nur ins Dachgeschoss ziehen würde. «
    » Über so was hab ich mir noch nie Gedanken gemacht. «
    Meine neue Wohnung lag im Erdgeschoss. Es war schon ziemlich lästig, ständig die Fenster geschlossen und verriegelt halten zu müssen. Von oben herabtropfende Körperflüssigkeiten wären selbst für mich ein neuer Tiefpunkt gewesen, obwohl ich schon in reichlich heruntergekommenen Hütten gewohnt hatte.
    » Hier hat ein Stuhl gestanden– ein Bürostuhl mit Rollen, damit er sich an seinem Arbeitsplatz hin und her bewegen konnte. Er war dran festgebunden, als die Beamten reinkamen. «
    » Womit war er gefesselt? «
    » Kabelbinder. «
    Kabelbinder waren absolut reißfest, ihre Herkunft nicht zu klären, die Handfessel der Wahl für Profi-Verbrecher und eine schlechte Nachricht für uns. Keine Fasern zum Abgleichen, keine Schnurenden zum Analysieren, keine Abdrücke auf Klebeband, kein Haar daran, keine DNA -Spur. Verbrecher waren leider manchmal ziemlich umsichtig.
    Cowell deutete in den Raum. » Der oder die Mörder haben mit den Computern angefangen, so wie es aussieht. Zerlegt und ausgeschlachtet. «
    » Das Übliche, um das Opfer einzuschüchtern. «
    » Und ihm seinen Lebensunterhalt zu nehmen « , ergänzte ich. » Sie waren sein Handwerkszeug. Ohne sie hatte er kein Einkommen mehr. «
    Genau das

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