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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Richtige, um jemanden unter Druck zu setzen. Vor allem dann, wenn er sich– wie Ivan Tremlett– ein Einkommen aus dem Nichts heraus aufgebaut hatte. Und Derwent zufolge gar nicht mal ein so kleines.
    » Er hatte Technik vom Feinsten hier stehen. Ausgesprochen teurer Vandalismus. Als sie damit fertig waren, haben sie dann mit ihm weitergemacht. «
    Ich verzog das Gesicht. » Ich will’s eigentlich gar nicht wissen. «
    » Blutergüsse. Mehrere Zähne ausgeschlagen. Gebrochene Finger und Zehen. «
    Ich sah zu Derwent. » Klingt nach einem geringeren Gewaltpegel als bei Palmer. Gebrochene Knochen liegen definitiv eine Stufe unter Amputationen. «
    Derwent zuckte die Schultern. » Vielleicht hat er dem Mörder ein bisschen schneller als Palmer erzählt, was der wissen wollte. Ich jedenfalls hätte geredet. Und wie. «
    Ich hatte keine Ahnung, was ich getan hätte, und hoffte auch nie in diese Verlegenheit zu kommen, aber vermutlich hätte ich schon beim kleinsten Anzeichen von Gewalt aufgegeben. In der Bibliothek meiner Schule gab es eine umfangreiche Sammlung grellbunter religiöser Comics, die das Leben diverser Heiliger nacherzählten. Je blutiger, desto besser, hatten die Nonnen offenbar befunden. So war ich aufgewachsen mit illustrierten Geschichten von Frauen, die für ihren Glauben den Märtyrertod gestorben waren. Die heilige Agnes, enthauptet im Alter von 13 Jahren, um ihre Keuschheit zu wahren. Die heilige Katharina, auf ein mit Nägeln gesäumtes Rad gebunden und gefoltert. Damals war mir auch klar geworden, dass ich nicht für das Leben einer Heiligen geschaffen war. Denn Sex erschien mir noch nie als ein so schreckliches Schicksal, dass die eigene Enthauptung der einzige Ausweg gewesen wäre. » Wie ist er denn gestorben? «
    » Sie haben ihm die Kehle durchgeschnitten. «
    » Das erklärt natürlich das viele Blut. «
    Derwent schlenderte durch den kleinen Raum und stupste mit seinem im Handschuh steckenden Finger gegen diverse Gegenstände. » Aber sie haben ein Detail vergessen, oder? DI Lawlor hatte etwas von seinen Augen gesagt. «
    » Was ist mit seinen Augen passiert? «
    Cowell sah mich entschuldigend an. » Ausgestochen. «
    » Wie bei der heiligen Lucia « , murmelte ich, abgelenkt von meinen lange verdrängten Erinnerungen an eine besonders anschauliche und detailgetreue Darstellung zweier blutiger Augäpfel, die auf einem silbernen Teller umherrollten. Sie war nie meine Lieblingsheilige gewesen.
    » Was? « Derwent drehte sich mit einem Ruck um und starrte mich verständnislos an.
    » Nichts. « Hastig sortierte ich meine abschweifenden Gedanken. » Vor oder nach dem Tod? «
    Cowell zuckte die Schultern. » Sorry, keine Ahnung. «
    » Ist das wichtig? « , fragte Derwent ungeduldig.
    » Ich weiß nicht. Oder doch, ich weiß es. Wenn er dabei noch gelebt hat, war es, um ihn zu bestrafen. Wenn er schon tot war, sollte es eine Botschaft an andere sein. Vielleicht eine Warnung an andere Pädophile. «
    » Ich fände es besser, wenn Sie dieses Wort nicht auf meinen Mann beziehen würden. « Die Stimme war kalt wie Eis und kam aus dem Vorraum. Ich zuckte erschrocken zusammen, und Derwent drehte sich blitzschnell um.
    Die Frau, die das gesagt hatte, kam näher und stellte sich in die Tür. Mit bleichem Gesicht starrte sie auf den blutbesudelten Boden. Claudia Tremlett, die Frau des Opfers, groß und schön wie eine exquisite Blüte.
    » Mrs. Tremlett. Ich bin DI Derwent und das ist meine Kollegin DC Kerrigan. Wir ermitteln im Mordfall Ihres Ehemanns. « Derwents Ton war jetzt deutlich beflissener als im Gespräch mit den Gordons, aber Claudia Tremlett stand ja auch ein gutes Stück weiter oben auf der gesellschaftlichen Leiter. Außerdem war sie attraktiv, und ich hatte schon mitbekommen, dass Derwent dafür empfänglich war. Und für Klassenbewusstsein sowieso. Sie war ungewöhnlich groß, etwa so wie ich. Blond, hohe Wangenknochen, und sicher hätte sie hinreißend ausgesehen, wenn sie außer dem Rot ihrer entzündeten Augen noch etwas Farbe im Gesicht gehabt hätte. Wie Vera Gordon hatte auch sie offensichtlich geweint an diesem Tag, doch darin erschöpften sich die Ähnlichkeiten auch schon. Veras Londoner Dialekt mit seinen verstümmelten Konsonanten war gar nicht zu vergleichen mit Claudias wohlmodulierter Sprache, und selbst in ihrer Jugend war Vera bestimmt nicht herausragend hübsch gewesen.
    Aber DI Derwent war noch nicht fertig mit Speichellecken. » Es tut mir leid, wenn die Wortwahl von

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