Der Ungnädige
keinen Firmennamen. Alles war vollkommen anonym und diskret, abgesehen von der Überwachungskamera, die über der Tür angebracht war, und den auf Hochglanz polierten Schlössern in regelmäßigen Abständen. Kein Briefkasten. Kein Türspion. Kein Kontakt mit der Außenwelt.
» Wirkt ganz so, als hätte Tremlett viel Zeit damit verbracht, sich gegen irgendwelche Bedrohungen zu schützen « , sagte Derwent.
» Verständlicherweise. « Ich deutete auf die Kamera. » Ich nehme an, die hat nicht viel gebracht. «
Cowells Blick folgte meiner Hand. » Das Signal wird live zu einer Website übermittelt, nicht auf einen Monitor. Tremlett hatte die Seite auf einem seiner Computer immer offen, damit er sehen konnte, was draußen vor sich ging, falls er mal Geräusche hörte. Das Signal ist allerdings so verschlüsselt, dass nur Tremlett selbst es sehen konnte. Nicht mal die Website-Betreiber hatten Zugang zu den Bildern, und außerdem waren sie nur in Echtzeit verfügbar. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen. Nichts, was wir sicherstellen konnten. «
» Und wir haben nicht die leiseste Vorstellung, wie der Mörder ihn dazu gebracht hat, seine eigenen Sicherheitsmaßnahmen zu missachten und ihn reinzulassen. Apropos… « Kaum war die Tür offen, drückte Derwent sich an Cowell vorbei, um als Erster hineinzugelangen. Mehr amüsiert als beleidigt sah Cowell mich an und trat zur Seite, damit ich dem Inspector folgen konnte. Ich verdrehte die Augen, da ich wusste, dass Derwent anderweitig beschäftigt war, woraufhin Cowell ein kurzes Lachen hinter einem nicht besonders überzeugend klingenden Husten verstecken musste.
Als ich durch die Tür ging, verlangsamte ich meinen Schritt und achtete sehr darauf, nicht auf heikle Stellen zu treten– in Erinnerung an die schlichtweg gefährliche Situation in Barry Palmers Wohnung. Dieser Raum hier war wenigstens schon mal sauber. Und es lag kein Blutgeruch in der Luft. Trotzdem rümpfte ich die Nase. Manchmal wäre ich dankbar für einen etwas weniger sensiblen Geruchssinn gewesen.
Der erste Raum war ein kleiner Empfangsbereich, der ein Fenster zur Straße hatte. Er war nahezu unmöbliert, nur in der einen Ecke stand ein Sessel. Da er keinen Publikumsverkehr hatte, brauchte er auch keinen Empfangstresen, aber seltsam sah es trotzdem aus. Der Sessel war alt, der Bezug abgewetzt und verblichen. Außerdem wirkte er viel zu häuslich in dieser ausgesprochen sterilen Umgebung. Der Fußboden war mit billigen, dünnen, dunkelgrauen Teppichfliesen ausgelegt. Die Kollegen von der Spurensicherung hatten einige davon zwecks genauerer Untersuchung abgelöst. Darunter hatten die Dielenbretter aus rohem Kiefernholz Blut aufgesogen, das in langen Striemen zwischen den Teppichfliesen hindurchgesickert war und jetzt ein geometrisches Muster bildete. Ivan Tremletts Blut.
» Wir nehmen an, dass hier auf ihn eingeschlagen wurde « , sagte Cowell. » Das Blut stammt von eher geringfügigen Verletzungen. Deshalb ist es auch nicht so viel. «
» Der Fußboden ist fotografiert worden, und das Blut dürfte inzwischen trocken sein. « Derwent beobachtete mich mit hämischer Miene. » Sie brauchen also keine Angst zu haben. «
» Ich geh lieber auf Nummer sicher. « Ausgeschlossen, dass ich über die Blutspuren lief, wenn es sich vermeiden ließ, ganz egal, wie trocken sie waren. Schon bei dem Gedanken daran meldete sich mein Magen wieder.
» Hier hat er seine Pausen verbracht– gegessen, getrunken, Mittagsschläfchen im Sessel gehalten. Seine Frau sagt, dass er Nahrungsmittel und Getränke konsequent aus seinen Arbeitsräumen ferngehalten hat, um nicht womöglich durch Verschütten einen Schaden an den Computern anzurichten. « Mit seinem langen Arm deutete Cowell auf einen Papierkorb in der Ecke hinter dem Sessel. » Wir haben einen leeren Pappbecher, ein paar benutzte Papierservietten und eine Tüte aus dem nahegelegenen Café gefunden. Anscheinend hatte er die Angewohnheit, sich morgens ein Schinkenbrötchen und einen Kaffee zum Frühstück und ein Sandwich zu Mittag zu kaufen. Normalerweise ging er danach bis zum Feierabend nicht mehr außer Haus. Und es sieht so aus, als hätte er beide Mahlzeiten schon gegessen, als er ermordet wurde. «
» Das wird die Autopsie zeigen « , sagte Derwent.
» Wissen wir schon, wann die ist? « , fragte ich.
» Heute im Laufe des Tages. « Er sah auf die Uhr. » Ist vielleicht sogar schon passiert. Godley wollte, dass Glen Hanshaw sich drum kümmert und auch um die von
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