Der unheimliche Kommissar Morry
aufgebaut, daß Scotland Yard in keinem Fall Ursache gehabt hatte, sich einzuschalten.
Er grinste zufrieden, als er einen tüchtigen Schluck aus dem Glas nahm und den herb-rauchigen Geschmack auf der Zunge spürte. Gefahr bedeutete Leben, und solange man tüchtig genug war, sie zu meistern, war das Leben erregend und schön! Ja, er hatte es auf seine Weise weit gebracht, und er hatte nicht die Absicht, sich von einem Mann, der sich großspurig ,Meister' nannte, in der weiteren Entwicklung bremsen zu lassen.
Er rief Harvey herein und beauftragte ihn, sofort in die Stadt zu fahren und ein paar Angelköder aus einem ziemlich weit entfernten Sportartikelgeschäft zu besorgen. Harvey notierte sich die Wünsche seines Herrn und verschwand. Ashton war allein und zufrieden. Er hielt es für besser, die bevorstehende Unterhaltung mit dem Fremden ohne zufällige Zeugen zu führen.
Pünktlich um drei Uhr klingelte das Telefon. Ashton Cabott meldete sich mit gemacht kühler, überlegener Stimme.
„Hier spricht der Meister", drang die Stimme des Unbekannten sehr klar und deutlich an sein Ohr. Es gab kaum einen Zweifel, daß der Unbekannte einen Privatapparat benutzte; vielleicht sprach er auch aus der schalldicht isolierten Zelle eines Hotels. Die üblichen Zwischen- und Nebengeräusche, die bei Gesprächen auftreten, die aus öffentlichen Fernsprechzellen geführt werden, fehlten ganz.
„Ich habe Ihren Anruf mit beträchtlicher Neugier erwartet", sagte Ashton Cabott, der wohl wußte, daß es jetzt darauf ankam, zu bluffen und zu improvisieren.
„Das kann ich mir denken. Wie gefiel Ihnen die Aufnahme, die ich Ihnen ins Haus sandte?"
„Ich fand sie recht eindrucksvoll, obwohl ich bezweifle, daß man vor Gericht damit viel beginnen kann. Das Bild beweist, daß es nicht nur einen Fotografierten, sondern auch einen Fotografierenden gab."
„Das hat wenig zu bedeuten", meinte der Sprecher ruhig. „Es würde Ihnen schon das Genick brechen, wenn bekannt würde, daß Sie das Hotelzimmer des Mädchens in der Einbruchsnacht aufgesucht haben. Ist Ihnen aufgefallen, daß es sich bei der Uhr auf dem Nachtschränkchen um einen Datumwecker handelt?"
„Das ist mir nicht entgangen."
„Ein Regisseur hätte das Bild nicht besser zusammenstellen können", meinte der Unbekannte stolz. „Sie werden verstehen, daß ich mit meiner Arbeit sehr zufrieden bin und die Überzeugung vertrete, dafür entsprechende Bezahlung fordern zu können."
„Das haben Sie bereits heute morgen getan."
„In der Tat. Ich habe meine Wünsche dahingehend präzisiert, daß ich fünfzigtausend Pfund in bar von Ihnen wünsche. Es liegt in meiner Absicht, diesem Wunsch ein sehr wichtiges Detail hinzuzufügen. Was würden Sie davon halten, wenn ich darauf bestehe, daß Sie mir morgen früh pünktlich um zehn Uhr eine Vorauszahlung in Höhe von fünfundzwanzigtausend Pfund zukommen lassen? “
Ashton merkte, daß sein Herzschlag stockte. „Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?"
„Lassen Sie uns eines klarstellen", informierte ihn die metallisch klingende Stimme des Unbekannten. „Ich bin niemals zum Scherzen aufgelegt. Ich stelle lediglich bestimmte Forderungen, auf deren peinlich genaue Erfüllung ich bestehen muß. Falls Sie glauben sollten, ihnen ausweichen zu können, sorge ich dafür, daß Sie im Zuchthaus landen und für immer der gesellschaftlichen Ächtung ausgesetzt werden."
„Moment, bitte. Ich bin in der Lage, nachzuweisen, daß Sie mich zu erpressen versuchen. Es wird Sie interessieren, daß unser Gespräch von einem Bandgerät mitgeschnitten wird. Zusammen mit dem Foto und dem abgestempelten Büttenumschlag wird es als Beweismaterial dienen, daß nicht ich den Schmuck gestohlen habe, sondern daß Sie der Haupttäter sind."
Der Unbekannte räusperte sich. Dann sagte er: „Seien Sie nicht kindisch. Selbst wenn ich den Schmuck gestohlen haben sollte, bildet das Foto einen klaren Beweis, daß ich lediglich zu spät gekommen sind. Ein Raubversuch ist bereits strafbar, das brauche ich Ihnen nicht näher zu erläutern. Im übrigen geht es hier nicht um die Schuldfrage in einem Schmuckdiebstahl. Ich bin völlig anonym . . . von Ihnen aber wüßte bald die ganze Presse, daß Sie nicht der vornehme Ashton Cabott, sondern ein ganz gewöhnlicher kleiner Schurke sind. Von dem Foto lassen sich beliebig viele Abzüge herstellen. Ich kann sie an alle Nachrichtenagenturen geben. Wie denken Sie darüber? Es wäre ohne Zweifel die Sensation des
Weitere Kostenlose Bücher