Der unheimliche Kommissar Morry
aber für dieses Mal muß ich darauf verzichten. Ich bin mit Sir Macolm verabredet."
„Du lieber Himmel!" sagte Constance.
„Schon wieder? Er ist doch ein gräßlich langweiliger Kerl!"
Britta lächelte nachsichtig. „Du findest ihn langweilig, weil er fast immer nur von archäologischen Dingen spricht. Schließlich ist er einer der Direktoren des Britischen Museums. Er verfügt über eine profunde Sachkenntnis und es ist wahnsinnig interessant, ihm zuzuhören."
„Hast du bei ihm jemals das Gefühl, eine Frau zu sein?" fragte Constance.
Britta errötete leicht. „Aber Conny! Darauf kommt es doch wirklich nicht an. Ich verkehre nicht mit ihm, um mir schale Komplimente anzuhören, sondern um mit ihm zu fachsimpeln."
„Na, dann viel Vergnügen!"
Nachdem Britta das Zimmer verlassen hatte, klingelte Constance nach dem Etagenkellner und bestellte den Tee. Sie befand sich nach wie vor in einer recht aufgeräumten Stimmung, die, wie es Ashton schien, durchaus nicht zu den Ereignissen der vergangenen Nacht passen wollte.
Anscheinend erriet sie, was er dachte, denn sie sagte: „Gewiß wundem Sie sich über meine blendende Laune. Sie hat ihren guten Grund. Nichts ist so häßlich und depremierend als das Gefühl der Furcht. Mit dem Verlust des Schmuckes ist auch dieses Empfinden geschwunden. Ich bin überzeugt, daß ich jetzt endlich vor dem Unheimlichen Ruhe haben werde."
„Wie schade!" spöttelte Ashton Cabott galant. „Ich hatte zu hoffen gewagt, daß auch meine Gegenwart ein klein wenig zur Hebung Ihrer Laune beigetragen hätte."
„Das hat sie auch", gab Constance unbekümmert zurück. „Schließlich gibt sie mir Gelegenheit, mit einem guten Freund eine Tasse englischen Tees zu trinken."
Es läuft wunderbar, registrierte Ashton zufrieden. Das Mädchen beißt an. Ich müßte mich schon sehr täuschen, wenn ich das Glänzen in ihren hellen Augen und die lebhafte Röte auf den Wangen nicht richtig bewerte. Sie ist drauf und dran, ihr Herz an Ashton Cabott zu verlieren!
Wenn sie wüßte, wer ihr gegenüber sitzt, und wenn sie ahnte, daß ich ihr in dieser Nacht einen Besuch abstattete, wäre sie kaum bereit, in dieser Weise zu reagieren. Aber zum Glück wird sie nie erfahren, wer ich in Wahrheit bin und was ich bezwecke.
„Ich erklärte vorhin Ihrer Schwester, daß ich heute ebenfalls Polizeibesuch hatte", sagte er.
„Wirklich?" fragte Constance erstaunt. „Was wollte man denn von Ihnen?"
„Ich war der letzte Mann, der vor dem Einbruch mit Ihnen gesprochen hat."
„Wie töricht! Deshalb kam man zu Ihnen?"
„Der Kommissar schien zu hoffen, daß ich irgendeinen Verdächtigen bemerkt hätte, der Ihnen folgte."
Constance winkte ab. „Lassen wir das unersprießliche Thema beiseite. Soviel ich gehört habe, wird die Versicherung den Schaden decken. Vermutlich wird die Polizei früher oder später den Täter stellen . . . aber bis dahin werden Britta und ich längst wieder in Amerika sein."
Ashton seufzte und blickte dem jungen Mädchen in die Augen. „Ich hoffe, Sie mißverstehen mich nicht, wenn ich jetzt erkläre, daß mich der Gedanke Ihrer Abreise sehr bedrückt."
Constance lachte. „Mr. Cabott! Sie werden sich doch nicht aufs Komplimente machen verlegen wollen? Ich habe bei meinen Stadtspaziergängen immer wieder festzustellen vermocht, wie viele hübsche junge Mädchen es in London gibt. Da sollte Ihnen die Abreise zweier Amerikanerinnen wirklich gleichgültig sein!"
„Ich dachte dabei nicht an zwei Personen . . . sondern nur an eine", erwiderte er.
Es klopfte. Der Zimmerkellner schob den Wagen herein, auf dem für zwei Personen gedeckt war. Nachdem er sich zurückgezogen hatte, nippte Constance an ihrem Tee und sagte dann ruhig: „Sie waren mir von Anbeginn sympathisch. Ich würde es bedauern, wenn dieses Empfinden durch falsche Töne Schaden erlitte. Ich bin keineswegs eine Gegnerin von Artigkeiten und Komplimenten . . . aber ich kann solche Dinge nach wenigen Stunden Bekanntschaft einfach nicht ernst nehmen."
Verdammt, dachte Ashton, ich bin zu rasch vorgeprellt.
Er lächelte. „Es ist mein Fehler, daß mir das Herz zuweilen auf der Zunge liegt. Ich gelobe Besserung!"
In diesem Moment klingelte das Telefon. Constance erhob sich und trat an den Apparat. Er beobachtete sie und sah, daß sie blaß wurde. Einen Moment hatte es den Anschein, als wolle sie zu Boden sinken. Dann hatte sie sich wieder fest in der Gewalt. Sie legte den Hörer auf die Gabel zurück und blickte Ashton aus
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